Tobias PM Schneid
dialogue & reflection
Streichquartett Nr. 3 Schumann; Klaviertrio Nr. 3 Amadé; Klaviertrio Nr. 4 Testament; Streichtrio Nr. 2 Pas de Trois Leopold Mozart Quartett, Trio Phönix-3
Die Aneignung von überliefertem Wissen, Erkenntnissen und Erfahrungen bestimmter Personen, zu denen uns eine gewisse Wahlverwandtschaft verbindet, hat Einfluss auf die eigene Position, kann affirmativ oder aversiv oder, wie beim Komponisten Tobias PM Schneid, dialogisch und reflektierend sein. So ist das Sujet in seinem Streichquartett Nr. 3 (Robert) Schumann gewissermaßen eine Reprojektion, denn dessen Labilität, Selbstzweifel und psychische Ambivalenz fühlt sich Tobias PM Schneid nahe. Jedoch nicht unkritisch, sondern indem er zuckende Zitate etwa aus den Geistervariationen und den Gesängen der Frühe produktiv ins eigene Idiom verwandelt. Entweder „… ins MANISCHE…“ (erster Satz) bei Disputen innerhalb der Stimmführung oder durch jähe Interventionen romantischer Motive und ein fragmentiertes „Jagdlied“, das in wildem Crescendo einem Kollaps zueilt und dann in einer fragilen Elegie des Abschieds „… ins Offene…“ schwenkt und bis zu einer verkratzten Idylle verkümmert.
Nicht unmittelbar evident ist die Verbindung zu Amadé (Mozart) im Klaviertrio Nr. 3, das mit einem extrem tongedehnten Unisono-Cantus von Violine und Cello beginnt, in den sich der Klavierpart zunächst punktuell, dann Lücken im Cantus füllend, mischt, um sich so zu einem Dialog zu weiten. Der Grund dafür dürfte sein, dass der Tod als Freund sowie als metaphysische Unbekannte, nur vage, in abwartender Haltung darstellbar ist – ein Gedanke, den Tobias PM Schneid aus einem Mozart-Brief an seinen Vater entlehnte. Im Rekurs auf den Anfang gibt es in der Coda einen Klavierruf in vier Tönen – schon aus dem Jenseits?
Analog ist das Klaviertrio Nr. 4 dem Beethoven-Testament gewidmet, das Kummer über den Verlust (des Gehörs) und den Willen, nicht zu resignieren, thematisiert. Beide widerstrebenden Emotionen zeigen sich in Segmenten aus der Hammerklaviersonate und deren Transformationen in moderne Timbres, sodass deren schwierige Balance konstitutiv für den musikalischen Diskurs wird. Die daraus entstehende Spannung löst sich allerdings in einer freundlich hoffenden Konsonanz.
Diese Perspektive bietet das Streichtrio Nr. 2 gemäß dem Titel Pas de Trois nicht. Denn es ist eine kontroverse Konversation anscheinend unvereinbarer Stilspektren, die sich per Glissando, repetitiven Motiven, verschiedenen Timbres und Spieltechniken aneinander reiben oder überlagern. Die Parlando-Dramaturgie ähnelt einem ulkigen „Tratsch im Treppenhaus“ oder, noch kritischer, der Neigung, anderen nicht zuhören zu wollen und sie dennoch permanent zu kommentieren.
Fernwirkende Impulse von Vorgängern hat Tobias PM Schneid mit exzellenten Ensembles also klangkreativ für seine Gegenwart gedeutet.
Hans-Dieter Grünefeld


