Martin, Frank

Deuxième Ballade

pour flûte et piano

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Universal Edition, Wien 2009
erschienen in: das Orchester 09/2011 , Seite 74

Wenn unsereins die Hinterlassenschaften der eigenen Lieben durchschaut, entdeckt man im glücklichen Fall Emotionen weckende Fotos oder kleine Andenken an besondere Momente, vielleicht ein Mitbringsel aus einem gemeinsamen Urlaub, manchmal sogar ein ganz besonderes Schmuck­stück. Ein solches fand auch Maria Martin; allerdings handelt es sich hierbei um eine Preziose der ganz speziellen Art: 2008 fand sie „ein bis dahin unbeachtetes autografes Manuskript von Frank Martin, betitelt als Deuxième Ballade pour Flûte et Piano ou Flûte, Orchestre à cordes, Piano et Batterie“ (Martin im Vorwort zur vorliegenden Neuerscheinung).
Kennt man Frank Martins intensive Klangsprache, so ahnt man das Glück für die Flötisten, das mit diesem Fund und der nun erfolgenden Herausgabe der Noten einhergeht: Martin eröffnet mit seiner eigenen Bearbeitung der in den 1930er Jahren für Sigurd Raschèr komponierten Ballade die dunkle, geheimnisvolle Seite der Flöte.
Nun mögen Querflöte und Saxofon durchaus viele Gemeinsamkeiten haben – in ihrer Klangfarbenpalette sind sie doch diametral entgegengesetzt. Zudem schrieb Martin selbst zu der für Altsaxofon komponierten Ballade: „Das Saxofon verbindet wie kein anderes Blasinstrument größte Geschmeidigkeit im Ausdruck, wodurch es […] der menschlichen Stimme ähnelt, mit der außerordentlichen Beweglichkeit der Flöte oder der Klarinette. Es eignet sich daher ebenso für große lyrische Ausdruckskraft wie für virtuose Geläufigkeit. Das hat mich dazu angeregt, ihm ein Stück anzuvertrauen, in dem der Ausdruck mehr im Mittelpunkt steht als irgendein anderes formales Element, ein Stück, das mehr von den Romantikern als von den Klassikern inspiriert ist, kurz gesagt, eine Ballade, die in einem lyrisch erzählenden Stil auf die besonderen Akzente dieses Instrumentes eingehen kann.“ (vgl. das Vorwort zur Ausgabe bei der Universal Edition UE 32986)
Über den Aspekt der virtuosen Beherrschung seines Instruments sei an dieser Stelle nicht viel gesagt: Sie ist Voraussetzung, um sich dem Werk überhaupt nähern zu können. Allerdings muss die Flötistin, die die Ballade voller Enthusiasmus in ihr Konzertrepertoire aufnehmen wird, auch über einen echten Zugang zur dunklen Facette der Flöte verfügen, muss tonlich außerordentlich flexibel sein. Martin fordert charakterstarke Ausdruckskraft in allen Lagen, setzt auf virtuose Klangfarbenfeuerwerke sowohl in der hier erwarteten hohen als auch in der langsamer ansprechenden tiefen Lage. Dies wird insbesondere für das geheimnisvoll-dramatische Schluss­prestissimo eine kleine Zusatzproblematik, da hier die Klangfarbenüber­lagerung mit dem Klavierpart eine eigene Herausforderung bildet, die freilich die versierte Flötistin en passant beim Erarbeiten der Ballade für ihr nächstes Konzert meistern wird.
Diese Neuerscheinung stellt eine echte Bereicherung im flötistischen Konzertrepertoire dar und wird hoffentlich bald häufig zu hören sein!
Christina Humenberger

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