Junge Deutsche Philharmonie (Hg.)

Deutsche Orchester zwischen Bilanz und Perspektive

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: ConBrio, Regensburg 2004
erschienen in: das Orchester 01/2005 , Seite 77

Die Junge Deutsche Philharmonie wurde 30 und hat sich zu diesem Anlass, wie auch schon zehn Jahre zuvor, wieder selbst ein Buch „geschenkt“. Nach wohlgemeinten und bewundernden Grußworten politischer Prominenz ist daraus ein vielfarbiges Psychogramm des Orchestermusikers und der deutschen Orchesterszene geworden. In der hier vorgelegten Deutlichkeit und Schärfe wurden die aktuellen Probleme sicher noch nicht angesprochen, geschweige denn veröffentlicht. Mussten tatsächlich erst die Finanzen in dieser so dramatischen Weise zusammenbrechen, um über neue Strukturen im Konzert- und Musikleben nachzudenken? Wolfram Goertz zeichnet in seinem mehrteiligen Aufsatz „Zwischen Arthrose und Spaziergang“ ein wohl sehr genaues, ungeschminktes Bild der gegenwärtigen Situation, das zu zeigen fraglos einmal höchst nötig war.
Sicherlich ist das Hauptanliegen der Musiker in ihren Orchestern überaus positiv zu bewerten und ihre Arbeit für das Kulturleben insgesamt unabdingbar, doch „menschelt“ es hier gerade in geldknapp gewordenen Zeiten gewaltig: Die Mentalität des Musikers neigt immer mehr zum Lamento. Eine empirische Untersuchung will aufzeigen, inwieweit die Junge Deutsche Philharmonie und ihre derzeitigen und ehemaligen Mitspieler sich hier helfend einbringen können. Das Ergebnis ist äußerst positiv. Insgesamt haben sich ihre Chancen deutlich verbessert, Probespiele für sich entscheiden zu können. Dennoch versprüht man keinen Weihrauch, sondern geht alle Probleme sehr selbstkritisch und unverkrampft an. Auch das Thema der Selbstverwaltung, bisher immer der viel zitierte Pluspunkt der JDPh, wird hinterfragt. In diesem kritischen Sinne entwickelte sich auch das Gespräch, das Theo Geißler mit drei Insidern führte. Immer wieder wird die Frage laut, ob es weiterhin sinnvoll ist, an den Hochschulen weit über Bedarf auszubilden und dies bei rückläufigen Stellenausschreibungen. Unter den angehängten sechs Reflexionen fällt die Standortbeschreibung „Aufbruch, Umbruch oder Abbruch?“ von Gerald Mertens auf, die eine sehr lesenswerte Analyse der Situation der Berufsorchester auf ihrem Weg ins 21. Jahrhundert enthält. Aber auch die Texte von Monika Griefahn, Gerhard Rohde, Karsten Witt und Robert Hille sind wichtige Puzzleteile in dem Gesamtbild dieser aufwändigen, reich bebilderten, kulturpolitisch höchst wichtigen Publikation.
Wolfgang Teubner