Eckert, Gerald
… des Säglichen Zeit… / Bruchstücke … erstarrtes Lot / Schatten, aufgeworfen / Aphel
Aphel nennt man in der Astronomie den entferntesten Punkt einer elliptischen Planetenbahn zur Sonne und Aphel ist auch der Titel einer zwischen 1993 und 1994 entstandenen Orchesterkomposition. Der 1960 in Nürnberg geborene Gerald Eckert, Schüler von Wilfried Jentzsch, Walter Zimmermann und Nicolaus A. Huber hat sie geschaffen. In dem 23-minütigen Werk, das einen schwebenden, von Klangflächen und -wolken langsam durchzogenen Raum darstellt, sind die entferntesten Fixsterne und bewegten Klangkörper einige Zentraltöne, die in beharrlicher Wiederkehr erscheinen: ein e und ein b vor allem, oft gleich Orgelpunkten, manchmal auch geballt in massiven Akkordblöcken.
Ein Klangkosmos verdünnter Massehaltigkeit mit dezenter, aber deutlich die Atmosphäre bestimmender Innenspannung und Schwerkraft ist kennzeichnend für alle vier Werke des heute als freischaffender Komponist und Maler in Eckernförde lebenden Eckert.
Mit ganz wenigen sehr kurz eingesetzten, dafür aber um so wirksamer erscheinenden Tonhöhenfixpunkten versehen ist
des Säglichen Zeit
(2003) eine Rezitation von Fragmenten aus Rainer Maria Rilkes Duineser Elegien vor einem so etwas wie eine mitschwingende Membran darstellenden Klangprospekt. Beeindruckend ist die hier höchst sparsam und dabei sehr effektiv eingesetzte Bewegung der Klangraumgrenzen. Die ruckartige Erweiterung, die schlagartig das Klangvolumen des Werkkörpers ausdehnt und dabei im Innern gewichtsloser macht, schafft einen die Wahrnehmung mitziehenden, aufmerksamkeitsirritierenden Eindruck. Jürg Kienbergers etwas betroffener und getragener Ton verstärkt den weihevollen, andachtsgebietenden Nimbus, der in verschiedenen Stärkegraden allen Eckert-Werken eigen ist.
Dass gerade die jüngere neue Musik so etwas wie pseudo-sakrale, Versenkung heischende Attitüden generiert, findet in Eckerts Klangrede einen weiteren Beleg. Das schließt jedoch massive, kurzzeitig ganz andere Bedeutungshöfe eröffnende Gestaltungsweisen der Klangfaktur nicht aus. In die fragile, oft schwimmend-schwebende, ja wabernde Klangwelt brechen mit schussartiger Präzision heftige Interjektionen ein, wie überhaupt ein metallisch abgeblendetes, unheimeliges Farbidiom vorherrscht.
Ideal sind die Interpreten in gespannter Ruhe auf diese Stücke eingestellt: das Ensemble SurPlus unter James Avery und die NDR-Philharmonie Hannover unter Johannes Harneit. Christina Ascher bietet den Vokalpart in Schatten, aufgeworfen (1995) als dezente Sprachklang-Geräuschkulisse.
Bernhard Uske