Bodendorff, Werner

Der Zorn des Marsyas

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Königshausen & Neumann, Würzburg 2009
erschienen in: das Orchester 02/2010 , Seite 66

Es sollten vergnügliche Schulferien bei der Großmutter in Dänemark werden. Doch es kommt anders. Während ihrer Zugfahrt in den hohen Norden begegnet das Geschwisterpaar Martha und Michael einem geheimnisvollen weißbärtigen Alten. „Ich bin lange unterwegs gewesen, war überall dort, wo musiziert worden ist, habe Eindrücke gesammelt und vieles niedergeschrieben.“ Außerdem spiele er die Leier und sei Spielmann gewesen, kenne sich in der Musiktheorie aus und lehre Musikgeschichte, behauptet er. Ein Spinner? Wohl nicht. Er übergibt der 15-jährigen Martha eine kleine Harfe. Sie selbst spielt das Instrument leidenschaftlich gern und hört zu Hause – wenn die anderen Jugendlichen nicht dabei sind – klassische Musik von Bach bis Gubaidulina.
Der alte Mann begegnet Martha und Michael immer wieder im Laufe der Geschichte, die immer tiefer in die Urgründe der Musik weist und eine Zeitreise durch die Welt der Musik ist. „Ihr beide seid auserwählt worden, zurück bis zur Antike die Musikgeschichte zu durchfahren, welche langsam ihrem Ende zugeht“, sagt der Alte. „Die Kombinationsmöglichkeiten der Töne neigen sich nach über 2500 Jahren ihrer Erschöpfung zu. Außerdem wartet jemand dringend auf Erlösung von einem langen Schicksal.“ Dieser jemand ist kein anderer als die antike Figur Marsyas, der, an einen Baum gefesselt, seiner Erlösung harrt. Ob dieser am Ende sich tatsächlich befreien lässt, soll an dieser Stelle noch nicht verraten werden.
Romanautor Werner Bodendorff ist Musikkritiker, Essayist, Verfasser von Publikationen unter anderem zu Schubert, Salieri und Egk. Er ist aktiver Musiker, hat unter anderem Oboe, Philosophie und Musikwissenschaften studiert. Der Roman Der Zorn des Marsyas sei, so heißt es im Klappentext, nicht nur „für Musiker, sondern ebenso für musikalisch interessierte Jugendliche und Erwachsene auch ohne Vorkenntnisse“ geschrieben. Das ist nicht so ganz schlüssig. Es bestimmen zwei Sprachebenen das Buch – ein recht gehobener Stil, dagegen immer wieder an „Jugendsprache“ erinnernde Ausdrücke (was recht gekünstelt daher kommt).
Zudem werden immer wieder musiktheoretische und -wissenschaftliche Dinge samt Fachjargon in den Raum gestellt, die jemand „ohne Vorkenntnisse“ wohl kaum verstehen kann, zum Beispiel: „Das Tonsystem mit den sieben Stammtönen erzeugt eine gleichbleibende halbtönige Reihe von 12 Tonstufen innerhalb der Oktave. In der Reihentechnik können die 12 Töne einfach, spiegelbildlich, rückwärts und rückwärts spiegelt (sic!) dargestellt werden, macht 48.“ Zudem weist das Buch einige Mängel im Lektorat auf; viele sprachliche Fehler wurden schlichtweg übersehen. Schade eigentlich, denn die Idee ist gewiss nicht schlecht, und spannend ist der Weg bis zur Auflösung des Rätsels allemal. Gestraffter und mit schlichterer Sprache hätte es ein gutes Buch werden können. So wird es dann doch nur die fachlich Versierten interessieren – und die sollten die Musikgeschichte ja wohl kennen!
Barbara Pikullik