Lortzing, Albert
Der Waffenschmied
Es gibt wahrhaftig nicht mehr als drei vollkommene deutsche Opernkomponisten, urteilte der gestrenge Gustav Mahler, wobei sein Kandidat für den 3. Platz manchen überraschen mag: Niemand anderer als Albert Lortzing erschien ihm als das größte Operntalent neben Mozart und Wagner. Heute ist es still geworden um Lortzing. Einstmals Säulen unseres heimischen Repertoiretheaters, sind seine Werke nur mehr gelegentlich anzutreffen. Die kaum überbrückbare Kluft zwischen heimeliger deutscher Lustspiel-Romantik und Aktualisierungsimpulsen modernen Regietheaters, wie sie derzeit die Szenerie prägen, dürfte hierfür ausschlaggebend sein. Dass Ausnahmen die Regel bestätigen, zeigte jüngst Katharina Wagners heftig umstrittene Waffenschmied-Inszenierung am Münchner Gärtnerplatztheater. Ein Weiteres kommt hinzu: Allenthalben wächst das Bewusstsein für die wichtige Aufgabe, altbekanntes Repertoire neu zu lesen, neu zu üben, neu zu erleben. Für viele Opernintendanten wie auch Dirigenten gilt daher: Wenn Lortzing, dann richtig!, will sagen: befreit vom Image verstaubten Provinztheaters, einfallsloser Regie und pauschaler Partiturbehandlung
womit wir freilich in Umkehrung beim Thema wären: Hört man nämlich eine gelungene Aufnahme des Waffenschmieds wie die vorliegende von 1992, erstrahlt Mahlers Urteil in neuem Licht. Die Größe lortzingscher Musik liegt in der Feinheit ihrer Linienführung, womit zugleich ihre Empfindlichkeit gegen grobkörnige Theatertradition angedeutet ist.
Man merkt es dem Waffenschmied nicht an, dass seine Entstehung begleitet war von allerlei Unbilden und Enttäuschungen, denen der Allround-Theatermann Lortzing damals ausgesetzt war. Als Librettist und Komponist zeichnet er mit viel Geschmack eine jener Geschichten, in denen es zumeist amüsant, gelegentlich ein wenig sentimental zugeht und sich am Ende die jungen Liebenden wider die Borniertheit der Alten, hier: des Waffenschmieds Stadinger ihr Jawort geben. Auf dem Weg dorthin kommen wir in den Genuss vieler eingängiger Chöre, Ensembles und Solo-Nummern, deren berühmteste dem Titelhelden vorbehalten ist: Auch ich war ein Jüngling mit lockigem Haar. Viele Pluspunkte für diese Aufnahme, die im Übrigen eine
eklatante CD-Repertoirelücke schließt.
Ein hochkarätiges Ensemble gibt den Charakteren Gestalt und Prägnanz: John Tomlinson als beinahe wotanesker Stadinger, Ruth Ziesak als liebliche Marie und Boje Skovhus als samtig tönender Graf Liebenau ragen besonders heraus. Kjell Magnus Sandvés Tenor hingegen klingt in der Rolle des Knappen Georg ein wenig angestrengt. Die Klangkörper des Bayerischen Rundfunks unter Leopold Hager überzeugen durch Verve und Schmelz gleichermaßen, und Jürgen Schläders Booklet-Text führt fundiert in entstehungsgeschichtliche Hintergründe ein. Einzig die zahlreichen Dialoge ermüden, wenn sie wie hier von trockener Studioakustik geprägt sind und zudem wenig inszenatorischen Esprit versprühen. Kurzum: Trotz vereinzelter Minuspunkte eine gelungene Produktion.
Gerhard Anders