Kunz, Roland

Der Seele Ruh

Oratorium nach Worten von Meister Eckart, orchestriert von Frank Zabel, 2 CDs

Rubrik: CDs
Verlag/Label: New Past Nr. 3721
erschienen in: das Orchester 11/2011 , Seite 78

Dieses Oratorium, 2010 zum 750. Geburtstag von Meister Eckart in Nürnberg uraufgeführt, dürfte, wenn es durch weitere Einstudierungen bekannt werden sollte, unterschiedliche Resonanz auslösen. Teile des Publikums werden es positiv als eingängig und populär beurteilen, andere werden an ihm oratorische Seriosität und stilistische Konstanz vermissen. Der Orff-Schüler Wilfried Hiller nennt es „ein Jahrhundertwerk“. Und Klaus Meyer lobt in seinem Booklet-Text die „ungetrübte Tonalität“ der Komposition, ihr „geschmeidiges Kantabile“ und ihren „Wohlklang“, verknüpft dies allerdings mit einem unsachlichen Seitenhieb auf Arnold Schönberg und die Zweite Wiener Schule.
Interessant und gelungen ist die Auswahl der Texte aus den Schriften des Meister Eckart. Sie folgt einem verbreiteten Bedürfnis nach meditativer Spiritualität, das die Musik aufgreift, um bei bestimmten Hörern eine vage religiöse Stimmung wachzurufen. Für die Erfindung und Anlage der Komposition war der Sänger, Keyboarder und Komponist der Musikgruppe „Orlando & die Unerlösten“, Roland Kunz, verantwortlich, für die Detailarbeit der Orchestrierung Frank Zabel, wobei das Beiheft keine Auskunft darüber gibt, wie man sich die Zusammenarbeit beider im Rahmen ihrer sicherlich eng verflochtenen Funktionen vorzustellen hat.
Die zahlreich und bunt nebeneinander stehenden musikalischen Mittel, die sich kaum zu einem geschlossenen Gesamteindruck verbinden, können nur in Stichworten genannt werden. Farbige Orchesterklänge, durchsichtige Ensemblebesetzungen, Band-Sounds aus Jazz-, Pop- und Unterhaltungsmusik, volksliedähnliche Melodieführungen (zum Teil in längeren Terzenparallelen), penetrant wiederholte kurze Floskeln, ausgedehnte Schlagzeugsoli, ein weit gefächertes harmonisches Spektrum, von pseudomittelalterlichen leeren Parallelklängen über klassizistische Kadenzfolgen bis hin zu häufigen im Quartraum absteigenden Ostinato-Akkordfolgen aus der Pop-Stilistik, vermitteln präzisere oder weniger deutliche Interpretationen der mystischen Texte. Der Chor wird teils mit gemäßigt modernen A-cappella-Passagen, teils barockisierend (in der letzten Nummer sogar mit einer eigenartig isolierten Schlussfughetta), teils schlicht homofon, mehrfach angelehnt an das Vorbild Carl Orffs, häufig mit filmischen Backgroundeffekten und einmal auch als Sprechchor eingesetzt. Solistisch treten Andreas Scholl und Roland Kunz selbst als ausgezeichnete Altussänger einzeln und in Duetten hervor. Letzterer wechselt ein paar Mal überraschend zum Stimmtimbre in normaler Lage eines Schlagersängers.
Auch alle übrigen Ausführenden interpretieren das Werk engagiert und auf hohem Niveau. Die aufnahmetechnischen Mittel und Wirkungen entsprechen uneingeschränkt den heutigen Anforderungen, ebenso der wohlformulierte und informative Booklet-Text.
Peter Schnaus