Klonovsky, Michael
Der Schmerz der Schönheit
Über Giacomo Puccini
Was dieses Buch nicht ist, macht schon ein erster Blick auf die verwendete und zitierte Literatur deutlich, die wichtige, vor allem italienische Titel verschweigt. Es handelt sich hier weder um eine Puccini-Biografie noch um eine akademische Untersuchung seiner Musik. Vielmehr ist Der Schmerz der Schönheit eine doppelte Liebeserklärung: an den emotionalen Gehalt der Musik des italienischen Maestros und, stilistisch, an seinen bedeutendsten Lobredner im heutigen Deutschland, dem die Arbeit zu Recht gewidmet ist, den Schriftsteller Eckhard Henscheid: Dessen Beiträge zur Musik und insbesondere zur Oper gehören zum Besten, was seit den Tagen Hanslicks in deutscher Sprache über Musik geschrieben wurde. Zum Eigenwilligsten und Persönlichsten auch. Henscheids manierierte Stilmittel zu kopieren mag einfach scheinen, so einfach wie eine Kopie der wunderbar klagenden oder triumphierenden Melodien Puccinis, aber es ist de facto unmöglich. Im besten Falle, wie hier, kommt ein schwaches Pasticcio dabei heraus.
Auf dem Umschlag lesen wir, dass Michael Klonovsky zeigt, warum der Italiener zu den ganz Großen der Musikgeschichte zählt. Und auf Seite 260 rechnet der Autor seinen Helden zu den bedeutendsten Komponisten seiner Zeit, neben Richard Strauss. Nun, was Strauss betrifft, mag das angehen, aber was ist mit Zeitgenossen wie Debussy, Ravel, Mahler oder Strawinsky? Weniger bedeutende Zeitgenossen Puccinis? Auf Seite 250 verurteilt Klonovsky die präpotenten Ex-Cathedra-Urteile seiner Kollegen. Da mag er Recht haben, aber gerade in dieser Hinsicht, der Neigung zu krassen, apodiktischen Äußerungen, tut sich der Autor besonders hervor. Neben dem oben angeführten Zitat könnte man das überraschende Urteil auf Seite 49 über die Unechtheit von Verdis frühen Opern erwähnen. Sollte der Gefangenenchor aus “Nabucco” gemeint sein, ein eher unechtes Chorwerkchen, obwohl es die Italiener zur zweiten Nationalhymne erkoren? Unecht die Leidenschaften aus “Ernani” oder “I due Foscari”? Dass schon auf der nächsten Seite Verdi neben Puccini immerhin zu den beiden bedeutendsten italienischen Opernkomponisten gezählt wird, beruhigt den Leser. Dennoch sollte auch hier gefragt werden: Und was ist mit Rossini oder Bellini, von Pietro Mascagni mal ganz abgesehen, den der große Alte aus Busseto tatsächlich, und nicht Puccini, für seinen Nachfolger hielt?
Und so könnte man weiter machen. Exzessive Übertreibungen, Halbwahrheiten wie jene, dass Puccinis “Manon Lescaut” mit ihrer musikalischen Lava Massenets Manon einfach beiseite geschoben hätte und Unwahrheiten kennzeichnen die 300 Seiten dieser zweifellos mit Inbrunst verfassten Puccini-Studie. Sogar die Hörempfehlungen zum Schluss sind mit Vorsicht zu genießen. So wird eine der bedeutendsten Puccini-Sopranistinnen, Magda Olivero, nicht mal erwähnt. Schade, alles verlorene Liebesmüh.
Rein A. Zondergeld