Strauss, Richard
Der Rosenkavalier
Dieser Livemitschnitt ist ein besonderes Juwel. Nicht, weil der Markt keine vergleichbar hörens- und sehenswerte Produktion hergeben würde. Karajans Rosenkavalier-Film mit Elisabeth Schwarzkopf als Marschallin aller Zeiten gilt als legendär, ebenso die Münchner Produktion unter Carlos Kleiber mit einer unvergesslichen Brigitte Fassbaender in ihrer beliebtesten Hosenrolle. Aber die Baden-Badener Produktion aus dem Jahr 2009 kann mit diesen wegweisenden Aufführungen mithalten, und das allein schon ist eine Sensation!
Die Übernahme einer ästhetisch ansprechenden Salzburger Inszenierung des verstorbenen Herbert Wernicke von 1995 erweist sich dabei als ein ausgesprochener Glücksfall. Denn hier versucht einmal einer nicht auf Biegen und Brechen, die Handlung in ein Ambiente unserer Zeit einzupassen, sondern vertraut ganz auf die Zeitlosigkeit eines der schönsten Libretti, die das Musiktheater hervorgebracht hat. Die berührende Geschichte von der lebensklugen, gütigen und souverän auf ihren jüngeren Liebhaber verzichtenden Marschallin beginnt in einem stilvollen Ambiente mit neobarocken Versatzstücken und raffinierten, changierenden Spiegellamellenwänden. Dabei gewinnen die Spiegeleffekte dank einer geschickten Kameraführung und Großaufnahmen im Film noch eine zusätzliche Dimension (überzeugende Kameraregie: Brian Large).
Das Stück dürfe trotz der Melancholie der Marschallin nicht nur schwermütig klingen, sagt Christian Thielemann in einem Interview im Bonusteil. Schließlich nannte Strauss sein Stück eine musikalische Komödie, und ein halb mal lustig, ein halb mal traurig charakterisiert sich die Marschallin selbst. Dieser Balanceakt gelingt! Zudem hat der geniale Strauss-Interpret mit den Münchner Philharmonikern einen schwelgerischen Klang erarbeitet, der dem der Wiener Philharmoniker sehr nahe kommt. Einfach herrlich, wie die berühmte Walzermelodie erst hauchfein mit leichtem Portamento im Piano einsetzt und dann noch einmal schwungvoll aufschäumt. Und ebenso gänsehaut-prickelnd, wenn die Geigen am Ende des ersten Aufzugs zu ihrem verträumt-elegischen Abgesang anheben.
Das Sängerensemble versammelt internationale Spitzenstars, die nicht nur schöne Stimmen hören lassen, sondern auch so glaubwürdig und anrührend spielen, dass es zu Herzen geht. Renée Fleming ist unter allen derzeit verfügbaren Marschallinnen wohl die, die dem Format einer Elisabeth Schwarzkopf am nächsten kommt, vom ersten bis zum letzten Auftritt eine Grande Dame. Ideal harmonieren Diana Damrau (Sophie) und Sophie Koch (Octavian) in ihren magischen Duetten, betörend schöne Kopftöne verbinden sich da mit einem in allen Registern sicher geführten, volltönenden Mezzo. Mit diesem erstklassigen Damentrio kann nur Franz Hawlata (Baron Ochs) musikalisch nicht ganz mithalten, der in der Höhe etwas brüchig klingt, solche Schwächen aber geschickt mit seinem schauspielerischen, komödiantischen Talent überspielt.
Eine als Bonusmaterial zugegebene Dokumentation, in der Sänger und Dirigent über das Werk, ihre Rolle und diese Produktion aufschlussreich zu Wort kommen, runden diese auch technisch exquisite Edition ab.
Kirsten Liese