Bruch, Max

Der romantische Sinfoniker

Gesamteinspielung der Sinfonien

Rubrik: CDs
Verlag/Label: ebs 6141, 3 SACDs
erschienen in: das Orchester 09/2006 , Seite 91

Mit dem Namen Max Bruchs verbindet man in aller Regel nur ein einziges Werk, sein Violinkonzert Nr. 1 G-Dur op. 26. Schon zu Lebzeiten des Komponisten hatte ihm dieses Konzert, mit dessen Konzeption er lange gerungen hatte, zu hoher Anerkennung verholfen. Es hat allerdings auch den Blickwinkel auf das übrige Schaffen verstellt. Bruchs fast einhundert sonstige Werke kennt man heute kaum. Darunter befinden sich neben Chorwerken und Oratorien, neben Liedern und Opern, neben Kammermusik und Solokonzerten auch drei Sinfonien: der Erstling in Es-Dur op. 28 wurde 1868 fertiggestellt, 1870 folgte die f-Moll-Sinfonie op. 36 und erst um einiges später 1882 dann noch die E-Dur-Sinfonie op. 51.
Zwar sind diese Orchesterwerke auch schon zuvor auf Tonträgern greifbar gewesen, doch die jüngste Aufnahme mit der Neuen Philharmonie Westfalen kann sich dank der hier zum Einsatz kommenden neuen Technologie mit der Banderole „Ersteinspielung auf SACD“ schmücken. Mit enthalten sind in der 3-SACD-Box noch Bruchs zweites Violinkonzert d-Moll op. 44 (1877), das Konzertstück für Violine und Orchester fis-Moll op. 84 (1911) sowie die Schwedischen Tänze op. 63 (1892).
Johannes Wildner, seit 1997 Chefdirigent und GMD der ein Jahr zuvor aus der Fusion des Westfälischen Sinfonieorchesters Recklinghausen und des Philharmonischen Orchesters der Stadt Gelsenkirchen hervorgegangenen Neuen Philharmonie Westfalen, weiß mit dem Klangkörper Bruchs musikalische Sprache, die einer vergleichsweise nun nicht gerade ausgesprochen weitsichtigen und von sprühender Inspiration durchglühten Gedankenwelt entspringt, in großbogigen melodiösen Phrasen und gelenkig-wendiger Agilität auszuformulieren. Voller Spannkraft werden Entwicklungsverläufe ausgedeutet, prägnant die Konturen akzentuiert. Unterschiedliche Ausdrucksrichtungen werden organisch miteinander verknüpft und kontrastierende Schnitte auf Linie gebracht.
Auch so mancher neckische Gedanke, so zum Beispiel die synkopischen Widerhaken im Kopfsatz von Bruchs E-Dur-Sinfonie, wird hierbei launisch ausgereizt. Die langsamen Sätze erhalten das notwendige schwelgerische Moment, das allerdings mitunter auch manchmal hin zum etwas Süffigen tendieren kann. Dem Orchester vermag Wildner Volumen und Attacke, aber auch eine lebendige Feindynamik zu entlocken. Allerdings neigen die Streicher im Forte mitunter etwas zu plakativer Schlagkraft, und den abgeschatteten Passagen fehlt es bisweilen etwas an feinporigem Glanz. In Bruchs Violinkonzert d-Moll wie ebenso in seinem zweisätzigen Konzertstück in fis-Moll (das sein viertes Violinkonzert hätte werden können) vermag die Geigerin Ursula Schoch im Solopart mit einer leichtgängigen und präzisen Linienführung wie mit tonlicher Variabilität und gestalterischer Flexibilität nachhaltig zu überzeugen.
Thomas Bopp