Kaminski, Stefan

Der Ring des Nibelungen nach Richard Wagner

4 CDs

Rubrik: CDs
Verlag/Label: GoyaLit 443 130-2
erschienen in: das Orchester 09/2013 , Seite 78

Nach ersten Tätigkeiten als Sprecher beim Rundfunk gehört der aus Dresden stammende Stefan Kaminski (Jahrgang 1974) seit 2001 dem Schauspielensemble am Deutschen Theater Berlin an und wirkt außerdem an vielen Hörbuch-Produktionen mit. 2004 gründete er seine Einmann-Show Kaminski on Air, für die er zwischen 2007 und 2009 Richard Wagners Ring zunächst stückweise erarbeitet hat; dieser ist inzwischen in einer Gesamtaufnahme erhältlich. Während aber die reine Spielzeit der Tetralogie rund fünfzehn Stunden beträgt und dabei über dreißig solistische Partien zu besetzen sind, benötigt Kaminski für seine Interpretation „nur“ rund fünf Stunden und übernimmt auch noch alle Rollen selbst.
Für diesen Kraftakt musste er den Text natürlich stark kürzen und einige Figuren oder Szenen sogar ganz streichen, und anstelle des gewaltigen Opernorchesters unterstützt ihn eine Handvoll Musiker nebst Soundingenieur. Mit seinem außerordentlich komödiantischen Talent und einer enormen Bühnenpräsenz verleiht Kaminski jeder der handelnden Personen ein unverwechselbares Timbre und gestaltet damit ein lebendiges Szenario, dem man sich kaum entziehen kann. Anders als Loriots bekannte, mit feinem Humor hintersinnig nacherzählte Ring-Parodie strotzt Kaminskis Aufführung, der alle schauspielerischen Register zieht, vor Theatralik: Da wird getobt, gelacht und geheult, dann gibt er sich plötzlich introvertiert, ja, bisweilen nachdenklich, und gelegentlich spitzt er die weiteren Aktionen bis zum Klamauk zu. Mal übernimmt er Wagners feierliche Intensität (Gespräch zwischen Wotan und Brünnhilde im 2. Akt der Walküre), mal nützt er eine Szene zur vordergründigen Karikatur (so gerät die Versammlung der Walküren zur Revuenummer) oder setzt ironische Effekte ein (etwa in der Rätselszene von Siegfried durch einen Jingle nach jeder richtigen Antwort Wotans auf eine Frage Mimes), und doch vergisst er den ernsten Hintergrund des Originals nie.
Dabei übernimmt Kaminski viele Passagen von Wagners regelmäßig gescholtener Dichtung, hält sich aber andererseits mit musikalischen Entlehnungen oftmals erstaunlich zurück – so ist etwa im Rheingold vom Motivgeflecht des Originals kaum etwas übrig geblieben (dafür wird man zu Loges erstem Auftritt mit einer Rap-Einlage entschädigt). Allerdings wird wohl doch nur der dem Verlauf problemlos folgen können (dann aber mit dem Vergnügen des Kenners), wer mit der Handlung des Rings gut vertraut ist. Bei den Aufnahmen handelt es sich um Livemitschnitte, was aber in der Regel akustisch keine negativen Auswirkungen hat; allenfalls bei der Nornenszene ist die elektronische Klangkulisse etwas zu massiv geworden, worunter die Textverständlichkeit leidet. Wer übrigens das Spektakel in allen seinen Facetten kennen lernen möchte, der kann (mit etwas höherem finanziellen Aufwand) die Produktion auch auf DVD erwerben.
Georg Günther