Tschaikowsky, Peter I.

Der Nussknacker

Suite für Orchester op. 71 a, Partitur

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Belaieff, Mainz 2008
erschienen in: das Orchester 10/2008 , Seite 62

Mitrofan Petrowitsch Belaieff war ein vorbildlicher Mäzen der russischen Musik. In Leipzig begründete er 1885 einen Musikverlag, der sich der Verbreitung russischer Komponisten widmete. Er initiierte darüber hinaus Konzertabende, ab 1885 die russischen Sinfoniekonzerte, später, 1891, die russischen Quartettabende. Konzertreihen unter seinem Namen, in denen sich europäische Klassik mit russischer Moderne verbinden, werden noch gegenwärtig gepflegt. Der Leipziger Verlag ging 1971 an Peters, seit 2006 ist er mit Schott eng verbunden.
2006 erschienen die drei Orchesterwerke von Tschaikowsky, die Viktor Ekimowski herausgegeben hat. Damit wird das Verlagsprogramm vervollständigt, das sich besonders den Ouvertüren und sinfonischen Fantasien Tschaikowskys widmet. Der Notendruck im DIN-A4-Format ist schön und übersichtlich, der die Partituren abschließende Kommentar nebst Revisionsbericht ist knapp gehalten, dabei aber präzise und informativ.
Unproblematisch erscheint die Ausgabe der Nussknacker-Suite, die interessanterweise Tschaikowsky noch vor Veröffentlichung des Balletts zusammengestellt hatte. Die Uraufführung fand am 7. März 1892 statt (Beendigung der Ballett-Partitur am 23. März). Tschaikowsky änderte an der Suite nichts. Der neuen Ausgabe liegen neben der Complete Works-Ausgabe von 1950 die autografen Partituren der Suite und des Balletts sowie die frühen Druckpartituren von Jurgenson, schließlich die späteren sowjetrussischen Ausgaben zugrunde. Ebenfalls unproblematisch erscheint die Ausgabe der Orchester-Fantasie Francesca da Rimini, eine Komposition aus dem Jahr 1876, der Episode aus Dantes Inferno folgend und Gustave Dorés Darstellung des Höllensturms illustrierend.
Sehr viel verzwickter ist der Fall bei der Fantasie-Ouvertüre Romeo und Julia, die Tschaikowsky auf Anregung Balakirews 1869 komponierte. Nach der ersten Aufführung und einigen kritischen Anmerkungen des Ideengebers überarbeitete Tschaikowsky das Werk 1870 in einer zweiten Fassung, die bedeutende Unterschiede aufweist. Ganze 342 Takte neuen musikalischen Materials fügte Tschaikowsky dem Werk hinzu und verband sie mit 197 Takten der ersten Fassung. Schließlich legte Tschaikowsky 1881 noch eine dritte Überarbeitung vor, die bei Bote & Bock veröffentlicht wurde, deren Autograf jedoch verschollen ist. Sie weist gegenüber der zweiten lediglich 34 neue Takte auf, die einige Veränderungen in der Reprise betreffen. Bei all den Bearbeitungen blieben die drei Hauptthemen unangetastet. Die langsame Einleitung hingegen wurde vollständig überarbeitet und lässt in den späteren Fassungen eine neue kompositorische Strategie erkennen. Der Herausgeber folgt hier der autografen Partitur der ersten Fassung und „einigen Fragmenten der zweiten Fassung“ sowie den Ausgaben von Bote & Bock der dritten Fassung. Hier wären im Kommentar einige Zusatzbemerkungen angebracht gewesen, die den massiven Unterschied zwischen den Fassungen ausführlicher darlegten.
Steffen A. Schmidt