Krellmann, Hanspeter /Jürgen Schläder (Hg.)
“Der moderne Komponist baut auf der Wahrheit”
Opern des Barock von Monteverdi bis Mozart
Unsere Opernhäuser wetteifern mit Programmheften, die immer prächtiger, immer aufwändiger (leider auch immer kostspieliger) sind und die sich an einigen Orten längst zu regelrechten Büchern ausgewachsen haben: Zeichen nicht zuletzt des zunehmenden Einflusses der Dramaturgen auf die Profilierung ihrer Institute. Eine Vorreiterrolle hat dabei seit den Tagen August Everdings die Bayerische Staatsoper München gespielt noch verstärkt, seit dort Hanspeter Krellmann von 1984 bis 2002 als Chefdramaturg wirkte. Inzwischen sind die Programmhefte des Hauses zu regelrechten Sammlerobjekten geworden (in Konkurrenz zu den geradezu bibliophilen Kostbarkeiten der Berliner Staatsoper).
Am Ende seiner Tätigkeit hat Krellmann zusammen mit dem Münchner Theaterwissenschaftler Jürgen Schläder den hier angezeigten Sammelband herausgebracht, der noch einmal eine Auswahl der interessantesten, immer wieder neue Perspektiven erschließenden Beiträge zu den Münchner Neuinszenierungen zwischen Monteverdis LOrfeo und Mozarts La clemenza di Tito bietet. Für die Qualität dieser Beiträge stehen Autoren wie Udo Bermbach, Barbara Zuber, Hans Joachim Marx, Robert Braunmüller, Herbert Rosendorfer, Uwe Schweikert und Dietmar Holland allein siebenmal Schläder (dagegen nicht ein einziges Mal Krellmann).
Im Gegensatz zu den Opernführern herkömmlicher Machart mit ihren allgemeinen Beschreibungen von Inhalt, musikalischen Kommentaren und rezeptionsgeschichtlichen Überblicken konzentrieren sich die Autoren hier auf einzelne Aspekte des jeweiligen Werks. So etwa Bermbach auf Kunst und Mythos bei LOrfeo (der allein fünf Mal unter verschiedenen Themenstellungen ins Visier genommen wird) oder Ekkehard Kroher auf Ein König im Zerrspiegel der Ironie, bezogen auf Händels Serse. Neben Monteverdi, Händel und Mozart ist Gluck gerade mal einer von 34 Beiträgen gewidmet: Glucks Modernität Sein Werk in der Zeit und über sie hinaus von Gert Mattenklott, während Purcell sich einen Artikel mit Händel teilen muss: Händels und Purcells Masques und ihr Publikum von Schläder. Dabei ist Händel mit insgesamt zehn Essays vertreten Reflex der Händel-Dominanz des Münchner Spielplans in der Ära von Peter Jonas. Es fehlen Cavalli und Rameau wie im Repertoire der Münchner Staatsoper.
Nützlich sind nicht zuletzt die Anmerkungen und Quellenangaben der Zitate sowie der Hinweis auf weiterführende Literatur zum neuesten Forschungsstand seit dem Erscheinen der Programmbücher. In ihrem Vorwort verweisen die beiden Herausgeber auf einen bereits erschienenen ersten Band über Opern des 19. Jahrhunderts und künden einen weiteren über das 20. und 21. Jahrhundert an, so dass die dann dreibändige Folge vierhundert Jahre Operngeschichte und Geschichte des musikalischen Theaters in repräsentativen Beispielen und neuesten Deutungsansätzen umfasst.
Horst Koegler