Haas, Frithjof

Der Magier am Dirigentenpult

Felix Mottl

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Info, Karlsruhe 2006
erschienen in: das Orchester 01/2007 , Seite 78

Dies ist erstaunlicherweise die erste Biografie über den großen Dirigenten. Sie konnte nicht origineller eröffnet werden als mit dem bekannten Schüttelreim: „Geh doch nicht in Mottls ,Tristan‘/Und schau dir dieses Trottels Mist an!/Schaff lieber dir ein Drittel Most an/Und trink dir mit dem Mittel Trost an!“
Darin klingt – obzwar negativ – eines der Leitmotive von Mottls Leben an, der Tristan. Er hat die Oper hundert Mal dirigiert, darunter 1886 die erste Aufführung in Bayreuth. Mit der hundertsten Vorstellung hat er seine Laufbahn beschlossen: Seit langem schwer herzkrank, brach er im ersten Akt an der Münchener Hofoper zusammen und starb einige Tage danach. Welche Parallele zum Tod von Josef Keilberth an gleicher Stelle mit dem gleichen Werk im Jahr 1968!
Mottl ist als Wiener Vorstadtbub aufgewachsen und kam über das Wiener Konservatorium, wo Bruckner sein Theorielehrer war, früh zur Musik. Schon mit 24 Jahren wurde er als Hofkapellmeister nach Karlsruhe verpflichtet. Hier wirkte er mit unermüdlicher Arbeitskraft 23 Jahre und verschaffte dem kleinen Residenztheater höchstens Ansehen. Es ist kaum fassbar: Mottl hat in einer Saison bis zu 52 verschiedene Opern aufgeführt! Mittelpunkt seiner Arbeit war das Schaffen Richard Wagners, das er bereits in jungen Jahren als hochgeschätzter Bayreuther Assistent kennen gelernt hatte. 1888 konnte er sogar eine Gesamtaufführung des Ring des Nibelungen herausbringen. Weitere Schwerpunkte seiner Arbeit waren die noch fast unbekannten Opern von Berlioz, Cornelius und Schubert, dessen Fierrebras er erstmals aufführte.
1904 endlich die Krönung seines Lebens: Er wurde als königlicher Hofkapellmeister und Rektor der Akademie der Tonkunst nach München berufen. Unter der Fülle der hier dirigierten Werke sind Uraufführungen von Werken Wolf-Ferraris und von Pfitzners Christelflein zu erwähnen. Um Mottls geradezu unvorstellbares Arbeitspensum zu würdigen, muss man wissen, dass er ständig Gastspiele absolvierte, nicht nur jedes Jahr in Bayreuth sondern auch in Paris, London und New York. Dazu kamen sein eigenes kompositorisches Schaffen, unzählige Bearbeitungen der von ihm aufgeführten Werke, Konzerte als Pianist und Liedbegleiter und seine Lehrtätigkeit. Erschwerend wirkte sich in den letzten Lebensjahren eine zu wenig beachtete Herzkrankheit aus, die zu seinem frühen Tod führte.
Der Autor Frithjof Haas, von dem auch eine Levi-Biografie stammt, hat erstmalig die zahllosen Tagebücher Mottls ausgewertet und unter Einbeziehung vieler anderer Quellen ein ungemein farbiges und kompetentes Werk geschaffen. Für Fachleute wird es höchsten Ansprüchen gerecht, für Musikfreunde mag es etwas zu detailverliebt sein. Bildschmuck und Musikzitate sowie Tabellen runden die vorbildliche Arbeit ab.
Günther von Noé