Heinrichs, Werner

Der Kulturbetrieb

Bildende Kunst – Musik – Literatur – Theater – Film

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: transcript, Bielefeld 2006
erschienen in: das Orchester 03/2007 , Seite 81

Der Name des Autors bürgt für Qualität: Werner Heinrichs gilt als Doyen des Kulturmanagements und der Kulturwissenschaft. In seinem Buch, das vom Titel her zwar ein wenig allgemein daherkommt, geht es sehr wohl um ganz konkrete Analysen, Zusammenhänge, Querverweise, Abgrenzungen und Gemeinsamkeiten verschiedener Kultursparten. Schon im einleitenden Überblick kommt er schnell zur Sache: Nach einem kurzen historischen Überblick bis hin zur aktuellen finanziellen und gesellschaftspolitischen Situation der Kultur hinterfragt er die Legitimation öffentlich finanzierter Kulturbetriebe, die heute eben nicht mehr selbstverständlich sei. Eine Kampagne wie „Theater muss sein“ sei allerdings angesichts der allgemeinen Legitimationskrise eine „Argumentation von jämmerlicher Dürftigkeit“. Statt hohler Sprüche sei für den Kulturbetrieb vielmehr „eine größere Professionalisierung seines Managements und Marketings anzustreben“. Womit Heinrichs auch für viele Bereiche der deutschen Theater- und Orchesterlandschaft den Nagel auf den Kopf trifft. Das gilt auch für die Feststellung, dass die Datenlage zum Bereich der Kulturstatistik und der Kulturwirtschaft in Deutschland in der Regel völlig unzureichend ist.
Nach Darstellung der allgemeinen kulturpolitischen, rechtlichen und sozialen Rahmenbedingungen für Kulturbetriebe geht es zunächst um den Kunstbetrieb, also bildende Kunst, Kunsthandel, -museen und -galerien. Den größten Raum nehmen aber die Bereiche Musik- bzw. Theaterbetrieb ein. Nach kurzen historischen Überblicken zu beiden Bereichen widmet sich Heinrichs Themen wie Musikvermarktung und Musikwirtschaft, Tonträgermarkt und Internetpräsenz. Ohne in einem mehrere Sparten behandelnden Buch zu sehr in die Tiefe gehen zu können, gibt der Autor dennoch interessante Einblicke in viele Bereiche des aktuellen Musikgeschäfts bis hin zu den gravierenden Absatzproblemen der Tonträgerindustrie.
Bei den Rahmenbedingungen liefert Heinrichs eine sehr gute Übersicht zum Geflecht des gesamten Musikbetriebs in Deutschland, unterschieden nach öffentlichen und privaten Finanzierungsstrukturen und wirtschaftlichen Organisationsformen. Für den Musikbetrieb insgesamt kommt Heinrichs zu dem Schluss, dass es erhöhter Aufmerksamkeit bedarf, diesen nicht dauerhaft zu gefährden (Rückgang des Musikunterrichts, Altersstruktur des Publikums, Finanzsituation der öffentlichen Hand usw.).
Für den Bereich der Theater stellt der Autor fest, dass es trotz finanzieller Probleme der öffentlichen Förderung schon einige spürbare Verbesserungen, z.B. Zusammenfassung von Tarifverträgen gegeben habe, das Hauptproblem aber bleibe der kontinuierlich steigende Zuschussbedarf je Zuschauer. Dem Theater müsse es gelingen, die Einzigartigkeit eines Theaterbesuchs als Live-Erlebnis gegenüber anderen Medien- und Freizeitangeboten besser herauszustellen und zu vermitteln. Ein kleiner Fehler sei angemerkt: Der NV-Bühne, der seit 2003 die alten Tarifverträge NV-Solo, Chor, Tanz und BTT (für Bühnentechniker) zusammenfasst, ist vom Deutschen Bühnenverein nur mit GDBA und VdO, nicht aber mit ver.di verhandelt worden, was bis heute zwischen diesen Verbänden zu Konflikten führt. Zwei weitere Kapitel widmet Heinrichs den Bereichen Literatur und Film, wiederum mit zahlreichen Detailinformationen, die sämtlich einen guten Überblick über die Branchen verschaffen.
Im abschließenden Kapitel („Kultur wird zur Privatsache“) zeichnet Heinrichs ein Bild der aktuellen Veränderungsprozesse. Als Hauptaufgaben sieht er erstens die Gewährung und Verbesserung einer breiten und hochwertigen kulturellen Bildung der Bevölkerung und zweitens die Gewährung kultureller Vielfalt bei einer schnelleren Reaktion der öffentlichen Hand im Zusammenspiel mit privater Kulturförderung. Weiterführende Literatur- und Internethinweise runden den guten Eindruck dieses insgesamt lesenswerten Buchs ab.
Gerald Mertens