Peter Hawig
Der Hofnarr des romantischen Säkulums?
Studien zu Werk und Kontext Jacques Offenbachs
Peter Hawig ist einer der besten Kenner und fleißigsten Autoren in Sachen Offenbach. Im Vorwort seines neuesten, soeben erschienenen Offenbach-Buchs schreibt er: „Überblickt man die knapp 40 Jahre zwischen Jacques Offenbachs 100. Todestag 1980 und seinem 200. Geburtstag 2019, so wird man feststellen, dass entscheidende Änderungen eingetreten sind, was die Zugangsmöglichkeiten zu seinen Werken, deren Aufführungspraxis und die wissenschaftliche Beschäftigung anlangt, und zwar zum Positiven.“
In der Tat: Bis dato völlig unbekanntes oder verloren geglaubtes Quellenmaterial kam ans Tageslicht, zuverlässige und zugleich spielbare Noteneditionen sind erschienen, die Bühnen haben die ausgetretenen Pfade der immer gleichen Orpheus-, Helena– und Hofmann-Inszenierungen verlassen und die Tonträgerindustrie hat Aufnahmen unbekannter Einakter auf den Markt gebracht, aber auch bisher nicht eingespielter Opere buffe und das Œuvre für Klavier. Auf dem Konzertpodium hat sich viel getan. Es gab international besetzte Symposien, auf dem Buchmarkt sind maßstabsetzende Publikationen erschienen. Viele Autoren haben das Ihre getan, zu einem neuen und ausdifferenzierten Offenbach-Bild beizutragen.
„Das alles bedeutet einen langsamen, aber stetigen Paradigmenwechsel. […] Es erweist sich nach und nach, dass das Wort Walter Abendroths von Offenbach als dem ‚Hofnarren des romantischen Säkulums‘ [woher der Titel des Buches sich herleitet, DDS] mehr ist als ein geistreiches Aperçu: […] Der immer etwas abseitsstehende Narr sagt dem König und den Mächtigen seiner Zeit die Wahrheit und unterläuft das gesellschaftlich Schickliche. Er ist übermütig und satirisch, traurig und melancholisch; ernst nur der Liebe und dem Leid gegenüber.“ (Peter Hawig)
Peter Hawig stellt in seinem jüngsten Buch fest: „Offenbachs Kosmos ist so groß und vielschichtig, dass es noch genügend Lücken zu füllen gibt. Hier etwas beizutragen, hat sich das vorliegende Buch zum Ziel gesetzt.“
Das über 600-seitige, klug gegliederte Buch (Werk, Kontext, Räume) mit seinem reichen Anmerkungsapparat und seiner imposanten Bibliografie zieht ein Fazit der Offenbach-Forschungen Peter Hawigs. Sein lebenslanger Einsatz für Offenbach und sein Kampf gegen falsche, dumme Offenbach-Vorurteile haben sich gelohnt. Das Buch ist Summe und Resümee eines großartigen Offenbachforschers, der optimistisch, ja zuversichtlich in die Zukunft schaut. Zu Recht, denn es gibt inzwischen eine sachliche und gut informierte, vorurteilsfreie Generation, die am Werk ist, seine aufklärerische Offenbach-Arbeit weiterzuführen.
Dieter David Scholz