Morsbach, Petra

Der Cembalospieler

Roman

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Piper, München 2008
erschienen in: das Orchester 03/2009 , Seite 59

„Das Belastende an unserem Beruf ist nicht, dass du hart arbeitest für geringen Lohn, sondern dass du alles geben musst, um möglicherweise nichts zu bekommen.“ Mit allerlei Sentenzen solcher Art ist der neue Roman von Petra Morsbach gespickt, in welchem die Hauptperson – der fiktive Cembalist Moritz Bauer – sich seines Lebens erinnert. Während einer Konzertvorbereitung in Venedig lässt Bauer in Rückblenden seine Vita Revue passieren.
Dreißig Kapitel zeigen im Wechsel kurz die Ereignisse der venezianischen Gegenwart und ausführlicher die teils unerfreuliche Vergangenheit Bauers: der überstrenge Vater, die neurotische Mutter und seine zunehmende Erblindung zeichnen einen vom Schicksal arg gebeutelten Menschen. Immer wieder werden natürlich auch die Besonderheiten des Instruments liebevoll geschildert und einzelne Werke – ausschließlich von Johann Sebastian Bach – beschrieben. Ihre guten Kenntnisse der Alte Musik-Szene speziell der 1980er Jahre lässt die Autorin gekonnt einfließen. Dem Leser ist bald klar, wer sich hinter den Namen der großen Cembalolehrer und -meister in diesem Roman versteckt.
Allerdings reiht sich in diesem Roman leider ein Klischee an das andere: Natürlich sind alle Cembalisten schwul, die Hochschulrektoren Luschen, die Musikkritiker verbittert, weil ihre eigene Musikerkarriere scheiterte, das Publikum ist ignorant und die Sponsoren sind auch nicht das, was sie ohnehin nie waren. Bach ist der Gott der Cembalomusik und Händel oberflächlich.
Der Roman scheitert auf zugegeben recht ansehnlichem Niveau. Das liegt daran, dass Morsbach ihr Fähnlein in allzu viele Windrichtungen gleichzeitig hält. Für eine Satire ist ein dermaßen an sich und der Welt leidender Mensch mit Behinderung nicht der geeignete Protagonist. Auch ein Psychogramm ist dieser Roman nicht, da die flüssige und gut lesbare Sprache Morsbachs wenig in der Tiefe lotet. Der Laie mag Interessantes erfahren, der Profi wird sich entschieden an etlichen Dreiviertelwahrheiten stoßen.
Das Konzert mit den Goldberg-Variationen in Venedig findet dann letztlich nicht statt. Sinnbild für all die Träume, die an der schnöden Gegenwart zuschanden werden? So endet Morsbach mit einer grandiosen Apotheose der Goldberg-Variationen – dass der Roman analog zur Variationenzahl dreißig Kapitel enthält, ist wohl kein Zufall: „Keine Note überflüssig, jeder Ton hat Bedeutung. Bach schrieb ja nie kompliziert um des Effektes willen, eigentlich schrieb er, bei aller komplexen Empfindung, einfach. Wenn er’s aber mal kompliziert macht, wie für den jungen Goldberg, ist dennoch jeder Ton von derselben minimalistischen Wucht“. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Marie-Theres Justus-Roth