Spohr, Louis

Der Alchymist

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Oehms Classics OC 923
erschienen in: das Orchester 09/2011 , Seite 77

Vom reichen Schaffen Louis Spohrs ist im Repertoire trotz seiner Sinfonien und Oratorien kaum mehr als sein 8. Violinkonzert „In Form einer Gesangsszene“ geblieben. Dabei hat der „deutsche Paganini“ auch einige wichtige Beiträge zur Geschichte der deutschen romantischen Oper geleistet (Faust, Jessonda). Nun präsentiert ein Livemitschnitt aus dem Opernhaus von Spohrs Geburtsstadt Braunschweig aus dem Jahr 2009, entstanden anlässlich des 150. Todestags des Komponisten, dessen nahezu unbekannte Oper Der Alchymist, die nach ihrer letzten Aufführung in Prag im Jahr 1838 erstmals wieder in Braunschweig auf die Bühne kam.
Spohr schuf sie 1830 für die Feier des Geburtstags des Kassler Kurfürsten nach einer Novelle von Washington Irving. Carl Pfeiffer bearbeitete die literarische Vorlage der „Romantischen Oper in drei Aufzügen“ zu einem etwas dialoglastigen Libretto um den titelgebenden, von der Inquisition bedrohten Alchemisten Don Felix de Vasquez, seine Tochter Inez, deren Rivalin Paola sowie den positiv gezeichneten potenziellen Liebhaber Don Alonzo und seinen Gegenspieler, den finsteren Don Ramiro. Trotz des dra­maturgisch etwas bieder geratenen Librettos (die bei dem Braunschweiger Livemitschnitt verwendete neue Dialogfassung von Uwe Schwarz macht das Geschehen nur bedingt ansprechender) wurde Spohr von ihm musikalisch inspiriert: Schon die Ouvertüre zeigt ihn als sehr einfallsreichen Komponisten, von der ihm später aufgestempelten Biedermeierlichkeit ist nichts zu hören – im Gegenteil. Gelegentlich zeigt die Komposition schon weit in die musikalische Zukunft: Besonders Wagner wird mit einer frühen Form von „Leitmotivik“ fast vorweggenommen. Ansprechende Melodik und eine farbenreiche Harmonik, aber auch ein beachtliches Maß an Inst­ru­mentationsvermögen prägen die hörenswerte Partitur.
Prominent besetzt ist die Titelpartie des Alchymisten mit Bernd Weikl, der dank seines noch immer gut ansprechenden, wagnererfahrenen Baritons ein packendes Porträt liefert. Als seine Tochter Inez kann Moran Abouloff ihren leicht geführten, angenehm timbrierten lyrischen Sopran vorteilhaft präsentieren. Als Paola nimmt Susanna Pütters mit gelegentlich etwas geschärfter Höhe die Chance war, die vielen Facetten der Figur auszuleuchten, während Jan Zinkler mit ungenau fokussiertem Bariton als Don Ramiro kaum über das Stereotyp hinauskommt. Mit leuchtender Höhe und tenoralem Feinschliff kann der schon auf zahlreichen Einspielungen hervorgetretene Jörg Dürmüller (Don Alonzo) für sich einnehmen. Überzeugend gelingt auch dem Chor des Staatstheaters sein nicht unwichtiger Part auf diesem gelegentlich von Bühnengeräuschen geprägten Mitschnitt.
Christian Fröhlich, der auch auch für die Erstellung des Notenmaterials verantwortlich zeichnete, zeigt sich am Pult des reaktionsfreudigen Staatsorchester Braunschweig als ein beredter Fürsprecher für diese unbekannte Spohr-Oper, deren durchaus vorhandene dramatische Spannung ebenso wie die instrumentalen Finessen der Partitur bei den Musikern in besten Händen sind. Schon bei der Ouvertüre konnte das Staatsorchester unter der Führung seines spohrerfahrenen Dirigenten seine hohe Qualität eindrucksvoll ausspielen. Eine interessante Repertoireerweiterung.
Walter Schneckenburger