Leroux, Philippe

De la Texture

for Flute, Clarinet, Guitar, Percussion, Piano, Violin, Viola and Cello, Partitur

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Gérard Billaudot, Paris 2007
erschienen in: das Orchester 05/2010 , Seite 69

Man muss sich durch ein paar Seiten Spielanweisungen (in französischer und englischer Sprache) wühlen, ehe man zu den Noten kommt. Zuerst sollten ein paar zusätzliche Klangerzeuger wie Büroklammern, Eichelhäherflöte, Gabel und Fingerhut bereit gelegt werden. Ein paar Erläuterungen zur Notation und sehr genau Anweisungen zu den acht unterschiedlichen Positionen der Musiker auf der Bühne folgen. Dazu müssen einfache geometrische Figuren um den Flügel herum zu einem fixen Punkt im musikalischen Verlauf eingenommen werden. Komponist Philippe Leroux hat in seinem De la Texture für Flöte, Klarinette, Gitarre, Percussion, Klavier, Violine, Viola und Violoncello nichts dem Zufall überlassen.
Einige Seiten Glossar mit genauen Anweisungen folgen, dann dürfen sich alle Musiker um den Flügel gruppieren und ihre Finger hineinstecken. Der Flötist zupft die hohen Saiten des Klaviers, der Klarinettist hat Fingerhüte aufgesetzt und streicht langsam die Saite eines tiefen Klaviertons. Dabei soll er die Textur dieser dicken metallumwundenen Saite spüren.
Lange, sich durch Glissandi und Effekte ändernde Klänge entstehen. Nach neun Takten nehmen die Musiker schnell die nächste Position ein, stehen nun in einer Reihe mit Blick ins Publikum vor dem Flügel. Zweiunddreißigstelketten laufen durch fast alle Instrumente, werden zum dicken Geflecht, um dann von einem kurzen Teppich der drei Streicher, der aber nur fast aus Klangrepetitionen besteht, zwei Takte lang unterbrochen zu werden. Nun ändern sich regelmäßig Klangfarben und Kombinationen der Instrumente, auch Taktart und Tempo haben ein paar Wechsel. Neue Spieltechniken und das zusätzliche Equipment wie Fingerhut und Büroklammer sorgen für interessante Sounds, für stetig sich ändernde akustische Oberflächen oder Texturen. Die Repetitionen weichen kurzen Einwürfen, die durch verschiedene Register hüpfen.
Technisch und rhythmisch nicht ganz einfach, aber niemals an die Grenzen gehend, entstehen flächige Klänge. Die auf den Punkt gebrachte Choreografie bietet zusätzlich noch ein paar optische Konzerterlebnisse. Allerdings führen die Musiker hier kein virtuoses Ballett auf, sondern sorgen lediglich im fest bestimmten Rahmen für andere akustische Standpunkte – trotzdem kann es dem Auge ein Reiz sein.
Die musikalischen Figuren werden zwischenzeitlich entzerrt und machen einzelnen Einwürfen, die mit deutlichen Pausen zu setzen sind, Platz. Eine neue Textur entsteht. Auch Bindungen sorgen für neue Oberflächen, der Ambitus der Tonketten wird größer und besteht kaum noch aus Tonrepetitionen. Ab Position sechs stehen Flöte und Klarinette, später auch Percussion, hinter dem Publikum. Kein ganz neuer Einfall, aber in Maßen genutzt durchaus immer noch wirkungsvoll.
Gegen Ende dünnt es sich von Takt zu Takt aus. Sicher imposante, klangvolle 18 Minuten Musik, effektvoll und – wenn man über Erfahrungen mit Neuer Musik verfügt – mit einem akzeptablen Arbeitsaufwand zu realisieren.
Heike Eickhoff

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