Strauß, Johann

Das Spitzentuch der Königin

Rubrik: CDs
Verlag/Label: cpo 777406-2, 2 CDs
erschienen in: das Orchester 12/2009 , Seite 70

110 Jahre nach dem Tod von Johann Strauß (Sohn, 1825-1899) legt die Staatsoperette Dresden unter dem Label der classic produktion osnabrück diese selten aufgeführte Operette vor. Sie hatte es (vielleicht?) wegen der k.u.k-Zensurbehörde Österreich-Ungarns schwer, sich durchzusetzen, denn dem damaligen Publikum war die Anspielung der wahren Handlung nur allzu vertraut: Die jahrzehntelange, scheinbar nicht enden wollende Herrschaft Kaiser Franz Josefs I. und dessen Sohn, der in seinem Thronfolger-Dasein keine herausfordernde Aufgabe zu erkennen glaubende Erzherzog Rudolf, sind die Folie der im Libretto dann doch recht gestelzt einherkommenden (Operetten-)Handlung.
Wir wissen, dass Rudolf sich mit seiner Geliebten Baronesse Mary von Vetsera 1889 im Schloss Mayerling erschossen hat – haben soll, muss man nach heutigem Kenntnisstand eher sagen. Denn es gibt viele Stimmen international angesehener Militärhistoriker, die einer Verschwörung innerhalb des österreichischen Hochadels das Wort reden, weil Rudolf aufgrund des Einflusses seiner Mutter Kaiserin Elisabeth als ungarnfreundlich galt und liberale Ansichten hatte, die der um ihre angestammten gesellschaftlichen Privilegien und politischen Positionen fürchtenden einflussreichen Aristokratie hätten gefährlich werden können, wenn Rudolf die Nachfolge als Kaiser angetreten hätte.
Also musste die Handlung für die Bühne (und für das Publikum) verschlüsselt und in ein anderes Land „möglichst weit weg“ – nach Portugal – verlegt werden. Das war im 19. Jahrhundert gang und gäbe, um die Zensur zu unterlaufen, aber auch, um dem Unterhaltungsbedürfnis des Publikums entgegenzukommen. Daher müsste man in einer heutigen Aufführung dann nicht (mehr) soweit gehen, um auch die Partie des Königs mit einer Mezzosopranistin in einer Hosenrolle zu besetzen.
Allerdings wäre es für die Hörer dieser Doppel-CD gewiss interessant gewesen, die „Zweischichtigkeit“ dieser Doppelmoral in der Dialogregie auch erkennen zu können. So kommt die Aufnahme recht bieder einher. Nur allzu bekannt sind die musikalischen Versatzstücke, die Johann Strauß offenbar schon selbst aus seinen musikalischen Notizen herausgesucht und zusammengestellt hat. Es klingt mal nach jenen ohrwurmhaft-bekannten Wiener Walzern à la ZDF-Neujahrskonzert, mal nach der Fledermaus. Etwas Eigenständiges vermag ich in diesem Werk nicht zu erkennen – auch nicht in dessen musikalischer Aufbereitung durch Ernst Theis, der Orchester und Chor der Staatsoperette Dresden in dieser (von mir subjektiv als überflüssig erachteten) Einspielung leitet. Die Solisten sind Nadja Stefanoff (Mezzosopran), Jessica Glatte (Sopran), Elke Kottmair (Sopran), Ralf Simon (Tenor), Markus Liske (Tenor), Hary Brachmann (Tenor) und Gritt Gnauck (Mezzosopran).
Kraft-Eike Wrede

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