Hesse, Corinna
Das Schumann-Hörbuch
Leben in der Musik. Eine klingende Biografie
Am Anfang dieser Produktion und anderer Aktivitäten rund um die Schumann-Gedenkjahre 2006 und 2010 stand das, was man gern politischen Willen nennt. Auf Initiative des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien etablierte sich 2005 in Bonn das Schumann-Netzwerk mit dem Ziel, dem großen deutschen Komponisten zu größtmöglicher öffentlicher Wahrnehmung zu verhelfen. In Zusammenarbeit mit Forschungs- und Gedenkstätten in Zwickau und Düsseldorf sowie mit der Robert-Schumann-Gesellschaft entstanden die Internetforen schumannportal und schumannjahr2010, mit deren Hilfe Interessierte sich über Veranstaltungen zum Thema Schumann weltweit informieren können. Eine begrüßenswerte Idee.
Schumann-Gesellschaft und Schumann-Netzwerk gehören auch zu den Förderern dieser vom Silberfuchs-Verlag produzierten CD, deren Form der des klassischen Radio-Features nahe kommt. Zur Kennzeichnung einer solchen Produktion als Hörbuch bedarf es einer weitläufigen Auslegung des Begriffs, die allerdings wie aktuelle Beispiele zeigen heute keine Seltenheit mehr ist. De facto handelt es sich um ein rund 80-minütiges, für das Medium CD hergestelltes Doku-Hörspiel, eine Montage aus Fließtext, Brief- und Tagebuch-Zitaten gelesen von den Schauspielern Anne Moll und Dietmar Mues und zahlreichen, sinnreich ausgewählten Musikbeispielen.
Autorin Corinna Hesse, Musikjournalistin und Gründungsleiterin des Silberfuchs-Verlags, hat einen Text verfasst, der Leben, Werk und Charakter Schumanns durchaus nicht auf leicht konsumierbares Niveau herunterfährt, sondern der Komplexität dieses Künstlerlebens und seiner Verortung in der historischen Situation der Zeit gerecht zu werden versucht. Kritische Anmerkungen können und sollen sich daher kaum auf die konkrete Produktion beziehen. Sie ist in ihrer Art perfekt: Fachlich fundiert, besitzt sie (nicht zuletzt dem Casting der Sprecher geschuldet) durchaus Atmosphäre und bietet eine einfühlsame Darstellung der Künstlerwelt Robert Schumanns. Allein: Ist diese Darreichungsform geeignet, neue zumal junge Schumann-Hörer zu generieren? Was hier kaum gelingen kann, ist, Neueinsteigern ein Gefühl für größere Werkzusammenhänge zu vermitteln. Ohne Zweifel wirken sich dramaturgisch effektvoll eingeblendete Ausschnitte aus den Kreisleriana, der C-Dur-Fantasie, den Liederzyklen, der Genoveva oder dem Oratorium Das Paradies und die Peri appetitanregend aus. Worauf aber richtet sich ein solcher Appetit? Möglicherweise auf weitere Häppchen, nicht aber auf komplexe Werke von halb-, ganz- oder mehrstündiger Dauer.
Überlegungen wie diese sollen den Wert der vorliegenden Produktion nicht schmälern. Gewiss vermag sie zur Steigerung der öffentlichen Wahrnehmung Schumanns beitragen, doch darf Letztere nicht gleichgesetzt werden mit dem Verstehen Schumannscher Musik.
Gerhard Anders