Wagner, Richard

Das Rheingold

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Naxos 8.660170-71, 2 CDs
erschienen in: das Orchester 04/2007 , Seite 84

Der Stuttgarter Ring, das 1999 gestartete Experiment, die vier Teile von Wagners Monumentalwerk jeweils selbstständig, mit je eigenem Regisseur und Ausstatter sowie eigener Besetzung, auszuführen, ist inzwischen beinahe legendär geworden. Wer keine Gelegenheit zum Besuch vor Ort hatte, kann die Tetralogie inzwischen schon auf DVD erleben. Da liegt es nahe, diesen Ring auch auf CD herauszugeben, von dem die ersten beiden Teile als Mitschnitte der Saison 2002/03 nun vorliegen.
Was sich in der szenischen Darstellung – wie auch immer man zu ihr stehen mag – so opulent und fesselnd darbietet, hält allerdings in der Reduzierung auf das Musikalische den hohen Erwartungen insgesamt nicht stand. Schwächen des Sängerpersonals, die durch ihre Bühnenpräsenz, durch ausdrucksvolles Spiel, durch Gestik und Mimik beim szenischen Erlebnis wett gemacht werden, enthüllen sich nun gleichsam ungeschützt. Dies betrifft in beiden Musikdramen vor allem die Besetzung der Hauptrolle des Wotan. Wolfgang Probst singt seine Rheingold-Partie insgesamt zwar nicht schlecht, irritiert aber durch ein Übermaß an Vibrato, das in der Höhe bei lang gehaltenen Noten zu unangenehmen Tonschwankungen führt. Jan-Hendrik Rooterings Stimme ist dagegen für die zugegeben anspruchsvollere Aufgabe in der Walküre zu eindimensional; zwar vermag er überzeugend Wotans Bitterkeit und Grimm zu artikulieren, für den am Ende durch Brünnhilde gerührten Vater fehlt ihm aber die angemessene Tongebung. Im Vergleich der beiden Fricka-Besetzungen hat unzweifelhaft Michaela Schuster mit einem ganz eigenen, leuchtenden Profil vor Tichina Vaughn die Nase vorn. Neben passablen Leistungen – wie Mette Ejsing als Erda, Eberhard Francesco Lorenz als Mime oder Attila Jun als Hunding – weisen die Einspielungen aber auch einige Glanzlichter auf. Esa Ruuttunen kann als Alberich überzeugen, gerade auch in der Wandlung vom liebestollen Geck zum macht- und herrschsüchtigen Tyrannen. Loge trifft, auch wenn ihm in der Höhe etwas Volumen fehlt, genau den spöttisch-ironischen Ton, der dieser Rolle zu eigen ist, und Bernhard Schneider als Froh verfügt wohl über das schönste Timbre der hier beteiligten Sänger.
In der Walküre heben sich Robert Gambill und Angela Denoke als Wälsungenpaar Siegmund und Sieglinde heraus, die intensiv ihre allmähliche Annäherung bis zur Liebesekstase sängerisch nachvollziehen. Ihnen steht Renate Behle als Brünnhilde in der Modulationsfähigkeit des Ausdrucks nur wenig nach.
Lothar Zagrosek führt mit dem Staatsorchester Stuttgart Wagners Partituren sehr direkt, ungeglättet, ja fast scharfkantig vor. Dadurch ergeben sich mitunter grelle Bläserakzente wie beispielsweise beim ersten Auftritt der Riesen im Rheingold, die sich aber in den dramatischen Ablauf gut einfügen. Trotz eher mäßiger Temponahme reißen die Spannungsbögen nie ab, dramatische Höhepunkte werden planvoll angesteuert und effektvoll ausgekostet. Allerdings lässt Zagrosek häufig auf Kosten der Durchhörbarkeit musizieren. Vor allem im Forte-Bereich gehen die Mittelstimmen öfters unter, wichtige Leitmotive sind mehr zu ahnen als deutlich zu hören. Im Vergleich zu den Standard-Einspielungen haben die Neuaufnahmen durch die ungleichmäßige vokale Qualität und die zwar ansprechende, aber insgesamt nicht herausragende Orchesterleistung ohne Zweifel einen schweren Stand. Dagegen erscheint der extrem niedrige Preis sehr verlockend; wer keinen Wert auf ein ausführliches Beiheft mit dem Abdruck des Textbuches legt und eine Alternative zu teuren Aufnahmen mit Spitzenensembles sucht, ist mit den vorliegenden soliden Einspielungen sicherlich gut bedient.
Peter Jost