Strauss, Ulrike
Das Orchester Joseph Haydns
Ein Komponist und seine wegweisenden Neuerungen
Bei der Herausbildung desjenigen Orchestertypus, der als klassisches Orchester in die Musikgeschichte eingegangen ist, gilt Joseph Haydn als einer der bedeutendsten Protagonisten. In diesem Zusammenhang wird nicht zuletzt auf Haydns Errungenschaften im sinfonischen Gebiet und die Entwicklung hin zur Ausformung seiner Londoner Sinfonien verwiesen; sein Opernschaffen geriet dabei ein wenig in den Hintergrund der Betrachtungen. Ulrike Strauss knüpft mit ihrer knappen Darstellung des Orchesters bei Joseph Haydn an diese Tradition an und versucht, wie der Untertitel des Buchs darlegt, die wegweisenden Neuerungen des Komponisten im orchestralen Bereich aufzuzeigen.
Ausgangspunkt der Untersuchung sind verschiedene Dokumente über die Orchesterzusammensetzung am Hof der Fürsten Esterházy, die in der Sekundärliteratur (beispielsweise in den “Haydn Yearbooks” der 1960er Jahre) veröffentlicht wurden. Dabei hinterfragt die Autorin Widersprüche, wie sie in Folgeuntersuchungen von H.C. Robbins Landon u.a. nachzulesen sind. In diesem Teil des Buchs begegnet man den Namen derjenigen Musiker, die in erheblichem Maße mit dem Komponisten Haydn an der Ausformung des klassischen Orchestertypus mitwirkten. Das Buch listet Belege auf, die Zeugnis davon ablegen, wie an einem fürstlichen Hof des 18. Jahrhunderts die Musikausübung organisiert war. Gerne hätte man in diesem Zusammenhang mehr Hintergrundinformationen über die genannten Musiker erfahren, was sie vor und nach ihren Engagements bei den Fürsten Esterházy getan haben etc. Ziel der Autorin war es aber nicht, eine Sozialstudie zu erstellen, sondern sie wollte vielmehr Fragen der Haydnschen Instrumentierung erörtern.
Aus den vorgelegten Dokumenten gehen allerdings weniger die kompositorischen Neuerungen der Orchesterbehandlung Haydns hervor, sondern sie sind letztlich nur ein Beleg für die Orchesterbesetzung, auf die der Komponist zurückgreifen konnte. Der dafür notwendige und anschließende analytische Teil, überschrieben mit Haydns Orchestertypus, betrachtet anhand von Partituren, ist sehr knapp und viel zu kurz gefasst. Und wie in anderen Passagen des Buchs neigt auch hier die Autorin dazu, thesenartig und nicht immer mit zwingender kausaler Logik Haydns Orchestrierung zu charakterisieren. Leider fehlen in ihrer Untersuchung auch Vergleiche der Orchesterbehandlung zeitgenössischer Komponisten, um auf dieser Basis die Besonderheiten Haydns herauszuarbeiten: Das Mannheimer Orchester wird nur kurz erwähnt, und die Werke Glucks oder Mozarts werden kaum oder gar nicht behandelt. Auch die barocke Instrumentierungsart wird nur sehr oberflächlich und verallgemeinernd dargestellt. Hinzu kommt, dass größtenteils auf ältere Forschungsergebnisse zurückgegriffen wird (Paul Bekker 1936, Hugo Botstiber 1928, um zwei herauszugreifen), weshalb der Eindruck entsteht, dass eine tiefer gehende Untersuchung des Themas noch aussteht. In der Kürze liegt eben nicht immer die Würze.
Klemens Fiebach


