Figdor, Helmuth / Peter Röbke

Das Musizieren und die Gefühle

Instrumentalpädagogik und Psychoanalyse im Dialog

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Schott, Mainz 2008
erschienen in: das Orchester 10/2008 , Seite 56

Ein Psychoanalytiker und ein Instrumentalpädagoge, beide am selben Institut tätig, verfassen gemeinsam ein Buch, das sowohl vom Thema als auch von den Protagonisten her einen Annäherungsprozess beschreibt, der mittlerweile in eine gemeinsame Arbeit eingemündet ist und beiden Arbeitsfeldern neue Erkenntnisse bringt.
Das Thema, um das es geht, ist das Musizieren und die Gefühle. Beiden geht es darum, dem Kind und/oder dem Jugendlichen die Welt der Gefühle nahe zu bringen. Dabei spannt sich ein Bogen, der eigentlich von einer Beobachtung einer weniger guten Instrumentalpraxis ausgeht, über die Musik als solche bis hin zu einer Didaktik musikalischer Expressivität.
Der Annäherungsprozess zwischen den Disziplinen ist nur vordergründig, eigentlich geht es um die Musik und um die damit verbundenen Gefühle. Am Ende des Buchs bringt Peter Röbke die Sache auf den Punkt: „Mehr und mehr habe ich den Eindruck, dass Helmuth Figdor und ich vor allem ein Buch über das Liebhabermusizieren geschrieben haben. Nicht die Deutung von Musik ist unser primäres Thema, sondern die Aneignung, nicht adäquate oder inadäquate Interpretation, sondern das Recht auf das subjektive Gefühl bei der Musik, nicht Hintanstellung des Begehrens, um den langen harten Weg zur perfekten Darstellung und Wiedergabe von Musik gehen zu können, sondern die Verwurzelung des Musizierens in vitalen menschlichen Bedürfnissen, nicht selbstloser Dienst an der Sache der Musik, sondern lustvolle Inanspruchnahme des Klingenden.“
Dieser Appell richtet sich nicht ausschließlich an die Dozierenden der Musikhochschulen und Universitäten, sondern hat seinen Ausgangspunkt dort, wo sich Kinder und Jugendliche zum Instrumentalunterricht entschließen, am Beginn des Instrumentalunterrichts in den Musikschulen. Und diese Gedanken oder diese Beziehung ist auch nicht nur einmal zu hinterfragen, sondern sie ist immer wieder neu zu überprüfen. Und sie hat, wenn man sie ernst nimmt, Auswirkungen auf den Unterricht dahingehend, dass nicht das Üben, sondern das Musizieren von Anfang an im Vordergrund stehen sollte. Nun könnte man sagen, gerade diese letzte Forderung ist nicht neu, aber dass sie immer wieder auftaucht, legt die Vermutung nahe, dass sich an der Realität des Instrumentalunterrichts bisher bis auf geringe Ausnahmen wenig geändert hat.
An den Ausführungen von Helmuth Figdor wird deutlich, dass tiefenpsychologische Aspekte bei der Betrachtung des Musizierens im Instrumentalunterricht durchaus ihren Platz haben. Ich persönlich halte dieses Buch für eine überaus sinnvolle Erweiterung der Instrumentaldidaktik.
Ludger Kowal-Summek