Ströer Bros.

Das MusikHörBuch

Vom passiven zum aktiven Musikgenuss

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Schott, Mainz 2008
erschienen in: das Orchester 10/2008 , Seite 57

Musik hören: Das ist doch ganz einfach. Benötigt man dafür wirklich einen Leitfaden? Ja, meinen die Brüder Ernst und Hans P. Ströer, denn Hören und Hören ist zweierlei. Im Alltag lässt man meist das Radio nebenbei laufen oder legt achtlos eine beliebige CD ein: „Doch damit kratzen Sie gerade erst ein wenig an der Oberfläche dessen, was Musik Ihnen zu bieten hat. Etwa so, als hätten Sie einen Ferrari in der Garage, mit dem Sie ab und zu durch Tempo-30-Zonen zum Einkaufen schleichen.“
Und so geben die Autoren jede Menge Tipps, wie man den Ferrari auf Touren bringen kann. Etwa dadurch, dass man Ordnung in der persönlichen Musiksammlung schafft und sich über die Dosierung von Musik Gedanken macht. „Legen Sie immer wieder Fastenzeiten ein“, lautet ein Ratschlag, und: „Machen Sie Ihr erstes Musikerlebnis danach zu einem Fest.“ Die richtige Aufstellung der Lautsprecherboxen wird ebenso behandelt wie die Musikauswahl zu bestimmten Anlässen, ob es sich nun um eine Party handelt, um ein geschäftliches Essen oder ein intimes Candlelight-Dinner. Das Argument, man sei hoffnungslos unmusikalisch, lassen die Autoren nicht gelten: „Das Faszinierende an der Musik ist gerade auch, dass sie ohne jedes Vorwissen tief berührt. Jeder kann von Musik heftig ergriffen werden, auch wenn sie außerhalb seiner Hörgewohnheiten liegt.“
Von den Grundlagen des aktiven Musikgenusses geht es dann weiter in die Details. Ernst und Hans P. Ströer zeigen, wie Musik wirken kann, sie erläutern die Genres von der Klassik bis zum Pop und werfen einen Blick hinter die Kulissen, in die Welt der Komponisten, der Produzenten und Musiker. Ein wenig sperrig wird es freilich, wenn es um die Anatomie der Musik geht, um Frequenzspektren, Dynamik oder Organisationsgrad. Man solle Musik mit dem Stethoskop hören, empfehlen die Autoren: „Ganz egal, was Sie gerade hören – mit Hilfe des Stethoskops werden Sie sich klar darüber, wie Sie es am besten hören, in welcher Situation, an welchem Ort und zu welcher Zeit.“ Hat man aber gerade kein Stethoskop zur Hand, kann man diesen Abschnitt getrost überspringen und sich lieber dem lustvollen Entdecken der Musik widmen. Denn „das Genießen von Musik kann genauso erlernt werden wie das Musikmachen oder wie das Skifahren“.
So führen die Brüder Ströer ihre Leser Schritt für Schritt voran auf dem Weg vom passiven zum aktiven Hörer. Ergänzt von zahlreichen Musikempfehlungen ermuntern sie zum Ausprobieren, zum gemeinsamen Musikhören mit Freunden oder zum Stöbern im Internet, um auch neue, bislang vielleicht weniger gehörte Musikrichtungen kennen zu lernen. Ein bisschen ist ihr Buch auch eine Liebeserklärung an die Musik, an diesen unendlichen klingenden Kosmos, der Menschen aller Länder und Zeiten vereinen kann: „Zwischen den Stücken mögen Jahrhunderte liegen, ganze Welten unterschiedlichster kultureller, klanglicher und stilistischer Ausprägung, und doch gibt es überraschende Berührungspunkte; das Bewusstsein dafür ist der Schlüssel zur ganzen Welt der Musik.“
Irene Binal