Das Mozarteumorchester Salzburg
Einer der ältesten Klangkörper der Welt
Einmal hat das Mozarteumorchester echte Pionierarbeit geleistet: Das war in den 1970er Jahren, Leopold Hager war damals Orchesterchef. Im Rahmen der Mozartwoche hat man erstmals Mozarts Jugendopern in den Fokus gerückt. Diese Episode ist natürlich auch Thema in dieser Buchpublikation zum Jubiläum. Aber wie alt ist das Mozarteumorchester nun wirklich? Wenn man es anginge wie die Staatskapelle Dresden, die ihre ellenlange Geschichte direkt auf Heinrich Schütz zurückführt, da hätten die Salzburger Kollegen noch viel, viel bessere Karten. Denn seit den Zeiten Pilgrims II., genau seit 1393, gibt es eine Hofkapelle in Salzburg. Es könnte das älteste Orchester der Welt sein
, heißt ein Zwischentitel in den ausführlichen historischen Betrachtungen von Gottfried Kasparek.
Aber wann schreibt man für das Mozarteumorchester nun wirklich den Beginn fest? Namen wie Mozarteums-Orchester, Mozarteum Orchester oder (aktuell) Mozarteumorchester sind seit 1909 üblich. Hält man es für wichtiger, dass ein symphonisches Orchester aus professionellen, angestellten Musikerinnen und Musikern besteht, so wäre das ominöse Jahr 1939 das eigentliche Gründungsjahr, schreibt Kasparek. Die Bezeichnung Gau-Sinfonieorchester ist dem Ensemble damals erspart geblieben, wohl weil Mozart im Namen wichtiger war als die Ideologie.
Wenn heuer das Mozarteumorchester sein 175-jähriges Bestehen feiert, steht aber ein ganz anderes Datum dahinter: 1841, Geburtsstunde eines Vereins mit dem absonderlichen Namen Dommusikverein und Mozarteum. Was in Salzburg auf Tradition pocht, hakt mehr oder weniger begründet dort ein: der Domchor, die Universität Mozarteum, die Stiftung Mozarteum und eben auch das Orchester. Gottfried Kasparek sieht das durchaus kritisch: Was in Wien 1842 ins Leben gerufen wurde, war eine Konzertvereinigung, die aus hoch professionellen Mitgliedern des Hofopernorchesters bestand. In Salzburg wurde gar kein Orchester gegründet, sondern die bestehende Dommusik mit der neuen Musikschule Mozarteum und der sich abzeichnenden Mozart-Stiftung vereinigt.
Diesen Unterschied beschreibt aus anderer Perspektive auch der Salzburger Musikjournalist Karl Harb, der das einleitende Feuilleton geschrieben hat: Auch er schildert den durchaus spät einsetzenden Emanzipationsprozess eines bis
in die 1970er Jahre hinein dienenden Orchesters (im Landestheater, bei der lokalen Kulturvereinigung). Das Mozarteumorchester musste also quasi aus sich selbst heraus wachsen, um in einer herausfordernden Gegenwart selbstbewusst anzukommen und so zu bestehen, wie es seinem kontinuierlich erworbenen Rang angemessen ist. Heuer spielte es bei den Salzburger Festspielen immerhin Così fan tutte.
Für die Qualitätssprünge der vergangenen zwei Jahrzehnte sind die Chefdirigenten Hubert Soudant (ein gediegener Proben-Arbeiter) und der wendige Ivor Bolton verantwortlich. Mit ihm hat das Orchester nicht nur historische Informiertheit gediegen umzusetzen gelernt, sondern auch fast alle Bruckner-Sinfonien auf CD eingespielt.
Reinhard Kriechbaum