Wagner, Richard

Das Liebesmahl der Apostel / Parsifal: Vorspiel und Karfreitagszauber

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Coviello Classics 30408
erschienen in: das Orchester 03/2006 , Seite 84

Diese CD erschien rechtzeitig zur Wiederweihe der im Zweiten Weltkrieg zerstörten, nun wieder aufgebauten Dresdner Frauenkirche. Denn dort wurde 1843 die Männerchorkantate Das Liebesmahl der Apostel, Richard Wagners wohl wichtigstes Chorwerk, uraufgeführt: mit 1200 Sängern und hundert Musikern – allerdings stutzte der Komponist vor der Drucklegung den Instrumentalpart noch etwas: halbierte die ursprünglich vierfachen Holzbläser und strich die Harfe. Bemerkenswert, dass das Orchester erst nach etwa 17 der fast 26 Minuten einsetzt, quasi um den erscheinenden Heiligen Geist triumphal zu verkörpern („Welch Brausen erfüllt die Luft? Welch Tönen, welch Klingen!“).
Sinnvoll umrahmt wird das Liebesmahl auf der CD durch Vorspiel und „Karfreitagszauber“ aus dem 1882 uraufgeführten Parsifal, denn da gibt es zahlreiche Querverbindungen durch die letzten vier Lebensjahrzehnte des Meisters. Seine erste Lektüre des späteren Stoffs datiert noch aus der Dresdner Zeit. Erstmals hat Wagner im Liebesmahl die Idee des Chors als die einer „tröstenden sinnlichen Vorstellung des Übersinnlichen“ realisiert. Das Konzept der Kuppelchöre und sogar konkrete Motive aus der Kantate kehren im Bühnenweihfestspiel wieder; so klingt der Anfangsrhythmus „Seid getrost“ im Grals-Thema an. Letzteres zitiert zudem das „Dresdner Amen“, bekannt aus Felix Mendelssohns „Reformations-Sinfonie“.
Das große Orchester war bei der Uraufführung in der Frauenkirche hinter dem Chor aufgestellt, was – da es auf diese Weise praktisch unsichtbar war – an den ähnlichen Effekt im Bayreuther Festspielhaus erinnert. Und umgekehrt zum langen Schweigen des Orchesters im Liebesmahl ist der „Karfreitagszauber“ die übliche, rein konzertant-instrumentale Aufführung einer eigentlichen Gesangsszene.
Am Pult steht der 1969 geborene Marcus Bosch, der seit 2002 als Aachener GMD positives Aufsehen erregt. Den Männerchor der vocapella, der hier zum ersten Mal in so großer Besetzung antrat, hatte Bosch selbst 1990 in Heidenheim an der Brenz gegründet. Bewundernswert, wie neben den professionellen Mitgliedern auch die Musikstudenten und begabten Amateure Wagners vielfach geteilten und durchchromatisierten Chorsatz meistern, eben über eine weite Strecke a cappella. Es gelingt dem Orchester durchweg sehr gut, Klarheit und sangliche Wärme unter einen Hut zu bringen, ohne falschen „Weihrauch“. Wir hören klug begrenztes Vibrato, dadurch durchlichtete Bläsersätze und disziplinierte Streicher, inspiriertes Holz und fokussierte Blechbläser sowie eine durchaus erfreuliche Genauigkeit für eine Liveaufnahme (20. April 2003), das Ganze als homogenen Gesamtklang.
Freilich standen dem noch jungen Dirigenten mit der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz und dem Mannheimer Rosengarten auch ein Klangkörper und ein Konzertsaal zur Verfügung, die für dieses Programm von der akustischen Tradition her erstklassig geeignet erscheinen. Die Staatsphilharmonie wird mit jeder CD-Produktion hörbar noch besser und Marcus Bosch empfiehlt sich so für Bayreuth. Beim Anhören dieser Silberscheibe ist es, als würden Pfingsten und Ostern auf einen Tag fallen.
Ingo Hoddick