Glogner, Patrick / Patrick S. Föhl (Hg.)

Das Kulturpublikum

Fragestellungen und Befunde der empirischen Forschung

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: VS-Verlag, Wiesbaden 2010
erschienen in: das Orchester 10/2010 , Seite 66

“Das” Kulturpublikum gibt es eigentlich nicht. Denn wie man inzwischen weiß, ist die Nutzerstruktur von Kultureinrichtungen durchaus heterogen. Das hat die in den vergangenen Jahren vor allem in Deutschland an Bedeutung deutlich zugenommene Besucher- und Publikumsforschung an den Tag gebracht. Aber nur auf den ersten Blick führt der Titel auf die falsche Fährte. Auf den zweiten Blick ist das Buch ein echter „Treffer“. Die Herausgeber haben die verdienstvolle Aufgabe gemeistert, sämtliche größeren Studien und Untersuchungen der Besucher- und Publikumsforschung im gesamten Kulturbereich der vergangenen Jahre zusammenzufassen und neu zu bewerten.
Im ersten der insgesamt fünf Fachkapitel geht um den Nutzen, eine Bestandsaufnahme und einen Ausblick auf die Publikumsforschung in öffentlichen Theatern und Opernhäusern. 23 Studien und Untersuchungen seit 1995 sind hier ausgewertet und auch methodologisch bewertet worden. Besonders hilfreich ist die Synopse der wichtigsten Ergebnisse jeder einzelnen Studie, die mühsame Eigenrecherche erspart. Hieraus ergeben sich wertvolle, übergeordnete Aussagen für die Angebotsentwicklung, z.B. was die Bedeutung der Servicequalität oder die Verbesserung der Zielgruppenorientierung betrifft. Das zweite Kapitel behandelt den Forschungsstand im Museumsbereich. Auch das macht den besonderen Wert des Buches aus: Man wird angeregt, über den Tellerrand der eigenen Sparte hinauszuschauen und aus dem Vergleich mit den Erkenntnissen und Problemen anderer wiederum Rückschlüsse und Anregungen für die eigene Angebotsentwicklung zu erhalten.
Das dritte Kapitel behandelt das Musikpublikum und die Musikpub-likumsforschung. Auch hier werden die wichtigsten bekannten Studien und Quellen zusammengefasst. Besonders interessant ist hier eine Aussage zum Klassikpublikum, das als solches nicht älter werde, sondern eigentlich gleich alt bleibe, im Gegensatz zu Rock- oder Jazz-Publikum, das gemeinsam mit seinen „Stars“ in einer Alterskohorte altern würde. Mehr Menschen über 65 bedeuten also tendenziell auch bei alternder Gesellschaft potenziell mehr Publikum für die Klassik. Eigentlich keine schlechte Botschaft. Im vierten Kapitel geht es um den Wandel des Kinopublikums und den besonderen Konkurrenzdruck durch das Fernsehen seit den 1960er Jahren und durch die neuen Medien. Auch hier lassen sich interessante Querverbindungen zu anderen Kultursparten ziehen, wenn es darum geht, z. B. mit Film-Livekonzerten potenzielle Kinogänger auch für einen Konzertbesuch zu interessieren.
Für alle Kulturbereiche ist schließlich das fünfte Kapitel interessant, in dem die Erforschung der Kulturtouristen behandelt wird. Jedes Kapitel endet mit einem ausführlichen Literaturverzeichnis, welches für die Vertiefung einzelner Themen oder das wissenschaftliche Arbeiten eine wahre Fundgrube darstellt. Das Buch ist allen Programmmachern und Marketingverantwortlichen im Kulturbetrieb wärmstens zu empfehlen. Sie werden es mit Gewinn lesen.
Gerald Mertens