Mahler, Gustav

Das klagende Lied/Blumine/Symphony No. 10

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Musikproduktion Dabringhaus + Grimm MDG 937 1804-6
erschienen in: das Orchester 10/2013 , Seite 74

Schon seit Langem setzen in der kaum mehr überschaubaren Mahler-Diskografie nicht nur die musikalischen „Gobal Player“ Zeichen. In vielen wichtigen Musikstädten spielen die Kräfte vor Ort auf hohem Niveau Mahler und dokumentieren diese Arbeit auf Tonträger. So auch in der Beethoven-Stadt Bonn, wo das dortige Beethoven Orchester nun im Rahmen einer bis dato sehr ansehnlichen Reihe von CD-Produktionen, in deren Zentrum der große Schostakowitsch-Zyklus unter Roman Kofman steht, eine erste Mahler-CD vorgelegt hat.
Unter Generalmusikdirektor Stefan Blunier sind auf der Super-Audio- CD drei Werke zu hören, die Mahlers ganzes Œuvre umfassen. Der frühen Kantate Das klagende Lied steht das Adagio der unvollendeten zehnten Sinfonie gegenüber. Dazwischen ist der sinfonische Satz Blumine zu hören, der zunächst Teil der programmatisch angelegten ersten Sinfonie war und dort an zweiter Stelle stand, ehe Mahler ihn aus dem dann nur noch viersätzigen Werk ohne Übertitel ausschied. Das Klagende Lied hatte zunächst drei Teile, doch auch hier griff der Komponist ein und verwendete in der gedruckten Version nur die beiden letzten Teile und verzichtete auf das einleitende „Waldmärchen“. In der Bonner Aufnahme ist diese endgültige Version von 1898/99 eingespielt. Das zu Unrecht wenig bekannte und gespielte Werk enthält in nuce ganz viele musikalische und ideelle Momente, die den Mahler der ersten vier Sinfonien und der mit ihnen verbundenen Lieder prägen.
Stefan Blunier bietet am Pult des detailgenau und farbenreich spielenden Beethoven Orchesters Bonn eine plastische und in der Anlage zwingende Wiedergabe, die den märchenhaften und gleichsam naiven Ton des Stücks ebenso trifft, wie sie die deutlich erkennbare kompositorische Ausdruckskraft Mahlers erfahren lässt. Das Musizieren ist von spürbarer Empfindung getragen und vom ersten bis zum letzten Takt spannungsvoll. Exzellent sind die drei Vokalsolisten Manuela Uhl, Lioba Braun und Werner Güra, die den Liedstil des jungen Mahler optimal auf den Punkt bringen. Mit Fülle, aber auch prägnanter Diktion singt der Chor aus Brno. Bei dem sehr luftig gespielten Satz Blumine, bei dem Blunier ein flüssiges Zeitmaß wählt, überzeugt das superb gespielte Trompetensolo und die zarte Stimmung, die hier evoziert wird.
Das Adagio aus der Zehnten wird in dieser Einspielung dann zum großen sinfonischen Gemälde. Hier nimmt sich der Dirigent Zeit und beschreibt den Satz als ausgedehnten und dramatisch angelegten Spannungsbogen. Doch in diesem Rahmen werden alle Motive und Themen ausdrucksstark modelliert – und eine überlegte Agogik und Gestaltung der Pausen schafft enorm expressive Übergänge und Kontraste.
Karl Georg Berg