Raab, Armin / Christine Siegert / Wolfram Steinbeck (Hg.)

Das Haydn-Lexikon

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Laaber, Laaber 2010
erschienen in: das Orchester 04/2011 , Seite 64

Mit dem Joseph-Haydn-Lexikon ist nun das große Dreigestirn der „Klassik-Komponisten“ komplett. Und es war auch längst fällig, nachdem sowohl Forschung als auch Kulturschaffende sowie musikliebende Öffentlichkeit ihren Haydn endlich auf den ihm gebührenden Thron neben Mozart und Beethoven gestellt hatten. Nicht zuletzt mag freilich das Haydn-Jahr 2009 seinen Beitrag dazu geleistet haben, das aus dem 19. Jahrhundert überkommene, mit vielen Klischees behaftete Bild des „Papa Haydn“ (von der „ehrerbietigen und anerkennenden Anrede“ bis hin zur „herablassenden Karikatur“) zu revidieren. Auch der Artikel „Rezeption“ erhellt beispielsweise explizit und prägnant diesen Sachverhalt und diese Problematik.
Das Haydn-Lexikon will die Lücke der jüngsten Forschung mit der inzwischen mannigfaltigen Literatur mit deren Ergebnissen und bemerkenswerten Neubewertungen schließen: „In knapp 500 Einzelartikeln vermittelt es auf dem neuesten Stand der Forschung weitreichende Einblicke in Haydns Persönlichkeit, sein Umfeld, seine Werke und deren Rezeption.“ Außerdem werden aktuelle Forschungsergebnisse erstmals veröffentlicht, Irrtümer älterer Literatur ausgemerzt, Haydns Bild – nicht nur im Artikel „Ikonographie“ – erscheint im neuen Licht. Der Spezialist, Liebhaber und interessierte Laie findet im Lexikon darüber hinaus auch neuere Ansätze zu Fragen der Ästhetik und Rhetorik sowie die neueste, sehr umfänglich gewordene Haydn-Literatur.
Jedoch hätten noch einige Termini mehr im Artikelverzeichnis die Vielfalt und Komplexität der Inhalte deutlicher gestaltet: so ein Hinweis auf die Bläser, welche lediglich in einzelnen Gattungsartikeln oder im Artikel „Bearbeitungen“ zu finden sind, oder auf Robert Schumann. Dieser erhielt weder einen Einzelartikel noch taucht er im Verzeichnis auf, obwohl er das Bild Haydns durch seine leidigen Aussagen wie Haydn sei der „Prototyp der rührenden Gemüthlichkeit“ (Artikel „Papa Haydn“) negativ und nachhaltig prägte. Von dort fehlt auch ein Querverweis auf den Artikel „Rezep­tion“, in welchem weitere berüchtigte und zähe Vorurteile Schumanns stehen: „Haydn als gewohnter Hausfreund, von dem man nichts Neues mehr erfahren kann.“
Offen müssen Fragen nach der Autorschaft des Oboenkonzerts bleiben, nach der Kindersinfonie – ein „apokryphes Divertimento in drei Sätzen“, auch „Berchtoldsgadener Sinfonie“ genannt – die nicht von Leopold Mozart, sondern ziemlich sicher von Haydns Bruder Michael stammt. Offen bleibt jedoch auch, ob das Lexikon die Wahrnehmung des öffentlichen Musiklebens ändern kann, insbesondere bei einigen deutschen Klassiksendern, die vielgeliebte Werke immer noch fälschlicherweise unter Joseph Haydns Namen spielen: so die Serenade aus den Streichquartetten op. 3 Nr. 5. Zentrale und erhellende Artikel sind hier „Echtheit“, „Brahms“, „Hofstetter“ oder „Unechte Werke“. Das Lexikon gestaltet sich bereits beim Anlesen als eine echte Fundgrube, worin sich alle, die Haydns Musik schätzen und sich mit seiner Persönlichkeit auseinandersetzen wollen, vertiefen sollten.
Werner Bodendorff

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