Racz, Gyula (Hg.)

Das große Buch der Schlagzeugpraxis

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: ConBrio, Regensburg 2014
erschienen in: das Orchester 06/2015 , Seite 72

Manchmal muss man das Unmögliche versuchen, muss sich Gyula Racz gedacht haben, als er daran ging, das Große Buch der Schlagzeugpraxis in Angriff zu nehmen. Denn beim Versuch, Schneisen in den weltweiten Dschungel der perkussiven Welt zu schlagen, kann man eigentlich nur scheitern. Zu viele Facetten und Aspekte sind zu berücksichtigen und überall lauern Fettnäpfchen. Andererseits bieten fast 400 Seiten schon einige Möglichkeiten, vor allem wenn der Buchaufbau gut strukturiert ist – was hier der Fall ist.
Auf eine systematisch gegliederte Instrumentenkunde mit vielen farbigen Fotos, die außer den traditionellen Instrumentenkategorien auch ein großes Kapitel über die Effektinstrumente aus dem Alltag vorhält, folgt ein Spielpraxisteil, der wesentliche Werke der Konzertliteratur vorstellt und einordnet. Neben den Bereichen Solo, Ensemble und Orchester ist an dieser Stelle auch der Platz für kürzere Einführungen in das Drumset und das Jazz-Vibrafon.
Der dritte Buchteil widmet sich vier bedeutenden außereuropäischen Trommelkulturen. Die Darstellungen von Latin-Percussion, Indonesischem Gamelan und westafrikanischer Djembe sind dabei mit jeweils ca. 20 Seiten relativ umfangreich, der nordindischen Tabla werden nur drei Seiten eingeräumt. Erscheint diese Gewichtung hinsichtlich der aktuell großen Bedeutung von südamerikanischer und afrikanischer Trommelmusik in Europa berechtigt – man denke nur an die Vielzahl der entsprechenden Trommelkurse –, so wird hier doch die Chance vertan, anhand der Tabla das weltweit wohl komplexeste Rhythmussystem detaillierter vorzustellen.
Beschäftigen sich die ersten drei Teile des Buchs mit den künstlerischen Facetten der Perkussion, so beleuchtet der abschließende Teil deren didaktische und pädagogische Potenziale. Sechs höchst kompetente Autoren berichten ausführlich und praxisorientiert aus ihren Arbeitsfeldern, die vom Schlagzeugspiel im Kindesalter über das Klassenmusizieren mit Schlaginstrumenten bis zum Einsatz von Rhythmus und Perkussion in der Musiktherapie reichen.
Das vom Herausgeber selbst zusammengestellte Schlagzeug-Wörterbuch mit Instrumentennamen und Spieltechniken in vier Sprachen beschließt das Das große Buch der Schlagzeugpraxis sinnvollerweise mit einer höchst praktischen Alltagshilfe.
Mehr als fünfzig Jahre nach Wlodzimierz Kotonskis Schlaginstrumente im modernen Orchester, dem ersten Versuch einer enzyklopädischen Darstellung der Percussion-Instrumente, war es höchste Zeit für eine aktuelle Version. Gyula Racz hat das Unmögliche versucht – herausgekommen ist ein gelungenes Buch, das in keinem Schlagzeugraum einer Musik(hoch)­schule fehlen sollte und das als Standardwerk über kurz oder lang sicher bei vielen Perkussionisten im Notenschrank liegen wird.
Stephan Froleyks