Markus Kiesel, Joachim Mildner, Dietmar Schutz (Hg.)

Das Festspielhaus Bayreuth

Richard Wagners revolutionäres Theater

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: ConBrio, Regensburg
erschienen in: das Orchester 10/2025 , Seite 70

Mit der Uraufführung des Rings wurde das Bayreuther Festspielhaus 1876 eröffnet. Seither steht es als Theater-Unikat und repräsentatives Symbol Wagner’schen Ausnahmewillens unverrückbar und weithin sichtbar da. Es hat mehrere deutsche Staatsformen und zwei Weltkriege überstanden. Das Festspielhaus sollte ein provisorisches Theater sein, „so einfach wie möglich, vielleicht bloß aus Holz, und nur auf künstlerische Zweckmäßigkeit des Innern berechnet“, so wollte es Wagner. Erbaut wurde das Festspielhaus von den Architekten Gottfried Semper und Otto Brückwald. Im Jahre 2007 hat Martin Kiesel einen opulenten Bild- und Textband herausgegeben, der die Idee und die Entwicklung von der schnörkellosen Bayreuther „Scheune“ zum High-Tech-Theater von heute veranschaulichte. Jetzt hat sich der ConBrio-Verlag erfreulicherweise entschlossen, das inzwischen vergriffene und gesuchte Buch, von weiteren Autor:innen und um 50 Seiten erweitert, in anderer Aufmachung und unter leicht variiertem Titel, wieder auf den Markt zu bringen.
Das Buch dokumentiert die Geschichte des Festspielhauses in Bayreuth. Über 100 neue und historische Fotografien veranschaulichen den Ausnahmecharakter einer oft als skurril bezeichneten eklektizistischen Architektur zwischen Klassizismus und Historismus. Sämtliche Motive wurden aus heutiger Sicht vom Festspielfotografen Enrico Nawrath neu aufgenommen. Die ursprüngliche Ausgabe, sie enthielt Interviews mit Wolfgang Wagner, Harry Kupfer und Pierre Boulez, wurde um weitere Textbeiträge ergänzt, u. a. zur speziellen Akustik des Hauses oder zur zeitgleich erbauten Pariser Garnier-Opéra, zu Münchner Festspielhausprojekten, die nie realisiert wurden (abgesehen vom Prinzregententheater, einer Kopie des Bayreuther Festspielhauses).
Besonders erfreulich ist in der Neuausgabe die Weitung des Blicks auf Zürich. Zürich war „eine Wagnerstadt von globaler Strahlkraft par excellence“, wie man in dem Buch über die Wagnerorte von Markus Kiesel liest: „Gemessen an Aufenthaltsdauer, Vorhandensein der authentischen Gebäude und Werkschaffung ist Zürich sogar die Wagnerstadt neben“ oder sogar (mit Verlaub gesagt) vor Bayreuth. Oberhalb des Sees, mit Blick auf die Alpen, wollte Wagner sein Festspielhaus errichten. Die damaligen Zürcher konnten sich dazu nicht entschließen. Noch am 200. Gedenktag seines Geburtstages 2013 schrieb ein Zürcher Journalist: „Wenn dem Komponisten etwas mehr Glück beschieden gewesen wäre, so läge Bayreuth heute am Zürichsee.“ Keine schlechte Vorstellung! Das Wagnerpublikum würde vom urbanen wie landschaftlichen Mehrwert ohne Frage profitieren, so wie die Leser von dieser perspektivisch geweiteten Neuausgabe des konkurrenzlosen Buchs, das schon jetzt den Titel eines Standardwerks beanspruchen darf.
Dieter David Scholz

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