Maurice Ravel

Daphnis et Chloé

Symphonische Fragmente 1. Suite/Symphonische Fragmente 2. Suite für Orchester und Chor, Partitur, hg. von Jean-François Monnard

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Breitkopf & Härtel, Wiesbaden
erschienen in: das Orchester 7-8/2024 , Seite 68

Maurice Ravels Ballett Daphnis et Chloé wanderte in Gestalt von zwei Orchesterauszügen auch in den Konzertsaal. Besonders erfolgreich war die zweite Suite, erstmals aufgeführt am 29. März 1914 in den Pariser „Concerts Lamoureux“. In seinem Ballett betrachtete Ravel das antik-pastorale Sujet durch „den Filter und die Interpretation der französischen Malerei des 18. Jahrhunderts“, erklärte der Musikwissenschaftler Christian Goubault die träumerisch-verklärende Tonsprache. Ein Vokalisen singender Chor gibt der impressionistischen Musik einen zusätzlichen Klangreiz.
Nachdem Breitkopf & Härtel kürzlich eine Urtextfassung des gesamten Balletts (PB 5650) herausgab, legt der Verlag nun großformatige Dirigierpartituren beider Suiten vor. Auch sie wurden vom Ravel-Experten Jean-François Monnard betreut. Bei den Fragments Symphoniques genannten Suiten handelt es sich bekanntlich um notentreue Auszüge aus dem Gesamtballett. Für die Ausgaben sah Monnard das Autograf von 1912 sowie die Erstdrucke des Balletts und der Suiten neu durch.
Historisch interessant ist, dass die erste Daphnis-et-Chloé H-Suite bereits am 2. April 1911 in Paris auf einem Konzertprogramm stand – ein gutes Jahr vor der Uraufführung des gesamten Bühnenwerks durch die Tanzkompagnie Ballets Russes am 8. Juni 1912 im Théâtre du Châtelet. Aus diesem Grund erschien die Orchesterpartitur der ersten Suite bereits 1911 im Druck, das anschließend vollendete Ballett erst 1913.
Mit dem auch in die Konzertsuiten einbezogenen Chor bewies Ravel, dass dieser Klangeffekt für seine Musik „zwingend war“. So erklärt es Monnard im umfangreichen Revisionsbericht. Die als Anhang zur ersten Suite mitabgedruckten alternativen Orchesterstimmen betrachtete der Komponist als reine „Notlösung“.
Die neuedierten Partituren beheben kleinere Druckfehler im Notentext und ergänzen Details zur Artikulation und Dynamik. Die Metronomangaben wurden mit dem Klavierauszug des Balletts abgeglichen. Außerdem zog der Herausgeber eine „Fehlerliste“ des Dirigenten Pierre Boulez heran. Grundlegend überdachte er auch „Ravels manchmal unstimmige Harfennotierung und -pedalisierung“, wobei ihm die Harfenistin Anne Bassand maßgeblich half. So existieren einige der tiefen Töne nicht auf den heute gebräuchlichen Harfen. Nun finden sich viele praktische Hinweise zum Umgang mit solchen „problematischen Stellen“. Das ist ein für die Aufführungspraxis ganz wesentlicher Mehrwert. Die gut lesbaren Dirigierpartituren sind für die werkgerechten Interpretationen beider Suiten unerlässlich, zumal Monnards Vorwort auch umfassend in das Werk, Rezeption und musikalische Besonderheiten einführt.
Matthias Corvin