Claude Debussy
Danses für Harfe und Streichorchester
Urtext, hg. von Peter Jost, Einrichtung der Harfenstimme von Margit-Anna Süß, Studienpartitur/Klavierauszug
Es ist schon erstaunlich, dass von diesem bedeutenden Werk Debussys, das er 1904 als Auftrag der Klavier- und Harfenfirma Pleyel komponiert hatte und das heute ein zentrales Stück der Harfenliteratur darstellt, bislang keine wirklich authentische und fehlerlos gedruckte Ausgabe verfügbar war. Einzig die von der zu Debussys Zeit sehr bekannten und bedeutenden Harfenistin Henriette Renie gestaltete gedruckte Version des Werks, bei der sie allerdings teilweise in die Originalkomposition eingegriffen und gewisse – spieltechnisch begründete – Änderungen vorgenommen hatte, ist heute verbreitet, obwohl Debussys Handschrift durchaus erreichbar war. Es sei zugestanden, dass in diesen Zeiten das Interesse an musikwissenschaftlich sauberen Ausgaben unter Musiker:innen gering war und man eher geneigt war, spieltechnisch „eingerichtete“ (sprich „manipulierte“) Notenausgaben vorzuziehen.
Nun hat sich der für Urtext-Ausgaben führende Verlag Henle die Aufgabe gestellt, diesen Mangel zu beseitigen und hat durch Peter Jost im Frühjahr 2022 eine grundlegend und großartig durchgearbeitete neue Ausgabe der Danses von Claude Debussy erstellt. Diese (Urtext-)Ausgabe bezieht sich als Hauptquelle auf Debussys Handschrift und die Erstausgabe bei Durand in Paris. So liegt dieses Meisterwerk nun endlich vor in einer Studienpartitur, die genauestens recherchiert und redigiert den originalen Text der Komposition wiedergibt, verbunden mit einem einleitenden Vorwort, das erschöpfend die Genese des Stücks beschreibt, es musikhistorisch einordnet und seine kompositorische Bedeutung erläutert.
Dem sehr sensibel gearbeiteten Klavierauszug durch Heiko Strahlendorff ist die Harfenstimme beigelegt. Diese aber ist deutlich umfangreicher gestaltet als in anderen Fällen üblich: Margit-Anna Süß – Harfenprofessorin an der Kunstuniversität Graz – hat in einem Vorwort zu dieser Stimme umfangreich dargestellt, welche Klang- und Artikulationsvorstellungen Debussy für sein Werk hatte. Und da der Komponist bekanntlich äußerst anspruchsvoll bezüglich der Aufführung seiner Werke war, kommt diesem Vorwort eine wichtige Bedeutung zu.
Margit-Anna Süß hat in jungen Jahren in Paris zwei Jahre lang mit dem damals bereits rund 90-jährigen Pierre Jamet studiert, der – wie dem Vorwort der Neuausgabe zu entnehmen – mit Debussy persönlich an der Interpretation der Danses gearbeitet hat. Diese Erlebnisse und Erkenntnisse hat Jamet an seine Schüler:innen weitergegeben und so einen genauen Einblick in die Klangwelt und die interpretatorischen Absichten Debussys ermöglicht, was bei der Erstellung und Einrichtung der Harfenstimme dieser Ausgabe von großer Bedeutung war. Georg Grasselli