Okroy, Michael

“… Damit die Träume atmen können”

Vom Stadttheater Barmen zum Opernhaus Wuppertal, hg. von der Wuppertaler Bühnen GmbH

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: J. H. Born, Wuppertal 2009
erschienen in: das Orchester 07-08/2009 , Seite 62

Als „Perle der Fünziger“, wie die Architektur-Journalistin Bettina Schürkamp urteilt, erstrahlt seit Januar 2009 wieder das Wuppertaler Opernhaus. Nach einer Sanierungsphase steht es jetzt dem Publikum und den Theatermachern wieder zur Verfügung – als Gewinn für das Kulturprofil der Wupper-Stadt. Michael Okroy, Wuppertaler Literatur- und Sozialwissenschaftler, nahm die Wiedereröffnung zum Anlass, eine opulente Publikation über die rund 135-jährige Theater(Opern)geschichte Wuppertals herauszubringen. Er schlägt den historischen Bogen von den Anfängen bis heute, von der Fusion der früher selbstständigen Städte Elberfeld und Barmen bis zum Schillertheater NRW (die ungeliebte, aber den drohenden Spartenabbau rettende Theaterehe Gelsenkirchen/Wuppertal, die 2001 aufgelöst wurde). Das heißt: Er musste sehr viel Material bewegen und eine große Recherchearbeit leisten, um diese „Hommage“ und zugleich dieses „Bühnenporträt“ zu schultern. Jede Menge Namen stehen für die Qualität des Hauses, Dirigenten, Intendanten, Regisseure mit nationalem oder internationalem Ruf prägten das Musik- und Theatergeschehen Wuppertals.
Bevor das 1874 eröffnete Barmer Theater richtig loslegen konnte, ging es allerdings schon bald in Flammen auf – der erste Brand legte das Haus 1875 in Schutt und Asche, es wurde wieder aufgebaut, 1902 folgte eine zweite Feuerkatastrophe. Doch die Bürger schafften es zusammen mit der Politik, „ihr“ Theater jeweils neu zu etablieren. Der jetzt sanierte Bau von 1956 zeugt von diesem Überlebenswillen und von der großen Verwurzelung der Oper im städtischen Leben. Man zeigte Profil!
Wuppertals Oper hat zumal in der jüngeren Epoche Großes geleitet. Ein Regisseur wie beispielsweise Friedrich Meyer-Oertel handelte stilbildend. So schrieb der Kritiker Ulrich Schreiber im Handelsblatt 1970 anerkennend: „Im langen Tal der Wupper zwischen Elberfeld und Barmen wird seit Jahren eine Theaterpolitik betrieben und Theater gemacht, wie man es sich andernorts nur träumen kann… In Wuppertal werden Moden kritisch überprüft, Moden der Stücke und Moden der Aufführungsstile.“ Das galt auch (oder gerade) für die Oper des Drei-Sparten-Hauses.
Was dem Buch vielleicht fehlt, sind Quer-Kommentare: von anderen Theaterleuten, von der Politik, von Besuchern. Da vertraut der Herausgeber wohl eher dem historischen und dokumentarischen Bericht. Reich bebildert ergibt sich somit in Wort und Foto ein lebendiger Abriss der Theatergeschichte einer Großstadt, für die das Theater ein unverzichtbarer, sogar zentraler Auftrag bedeutet. Selbst in der (finanziellen) Gefährdung der 1990er Jahre (Schillertheater NRW unter dem Intendanten Holk Freytag) wird deutlich: Ohne das eigene (Musik-)Theater geht es nicht.
Die Sanierung 2007/08 hat sich gelohnt. Das Barmer Opernhaus reiht sich nun wieder in die wichtige NRW-Bühnenlandschaft ein – mit besonderem Akzent auf jungen Stimmen und ehrgeizigen Projekten. Man darf dem Haus eine glückliche Zukunft wünschen. Im Sinne der theaterkundigen Bürgerschaft. Pina Bauschs internationale Ballettrevolution kommt also nicht von ungefähr. Das aber ist auch eine Verpflichtung für Gerd Leo Kuck, den amtierenden Generalintendanten.
Jörg Loskill

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