Wehle, Reiner

Daily Exercises

für Klarinette

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2011
erschienen in: das Orchester 12/2011 , Seite 77

Das vorliegende 82-seitige Heft ist eine deutliche Bereicherung der so genannten technischen Literatur für Klarinette. Dem Autor gelang es, nicht nur zusammenzufassen, was so mehr oder weniger auf diesem Feld noch erhältlich und zum Teil einer Klarinette zuzurechnen ist, die baulich noch nicht dem heutigen Stand entspricht. Reiner Wehle brachte auch Übungen ein, wie z.B. diese spezielle Art der Terzenbehandlung und diese kleinen Einheiten der chromatischen Rückungen, die bisher kaum so vorhanden waren. In Zusammenhang damit steht die Vermeidung unnützer Griffablaufwiederholungen mit Überblasklappe, wenn sie bereits in der Chalumeau-Lage verlangt waren.
Damit wird auch sicht- und hörbar, dass die Täglichen Studien auf das Training der Motorik, auf das Erreichen einer genauen Koordination im Finger-Hand-Bereich, weniger auf musikalische Kleineinheiten, die ohnehin mit verinnerlicht werden, abzielen und entsprechend inhaltlich wie im Nacheinander konzipiert sind. Der Autor verweist deshalb zu Recht in seinem knappen Vorwort auf die Ergänzungrolle des vorliegenden Heftes zu seinen dreibändigen Clarinet Fundamentals im selben Verlag.
Überlegenswert wäre es vielleicht gewesen, ähnlich den „Grundbegriffen der Klaviertechnik“ von Alfred Cortot, auch gymnastische Studien finger-, hand- bis haltungskonzentriert, z.B. Dehnungs- und Streckmuskel-Bits, einzuarbeiten oder voranzustellen. Doch werden hier auch so quasi klarinettistische „Warm-ups“ mit starkem Aufbaucharakter in großem Umfang geboten. Zu Stupidität wird nicht verleitet, spätestens verhindert ab den verbalen Hinweisen zur jeweiligen Fortführung der notierten Bewegungsganzheiten aus dem inneren Notenbild, eben auswendig. Das Durchdeklinieren der Übungen in alle Dur- und Molltonarten bis sechs B und sechs Kreuzen verlangt den fortgeschrittenen Klarinettenschüler, insbesondere wenn man bedenkt, dass jenseits jeder visuellen Systematik die Bewegungsabläufe selbst voll der Varianten sind. Die Verbindung Gesichtssinn/ Bewegungssinn wird sowohl aus der tatsächlichen Notierung wie auch aus der Notenbildvorstellung mit geschult. Deshalb ist es nur folgerichtig, wenn eine Studie in Fis-Dur/dis-Moll auch in Ges-Dur/es-Moll, also mit jeweils denselben Bewegungsabläufen, notiert ist.
Gute Fortgangsideen, gepaart mit kontrollierter (als Gegensatz zu automatisierter) Fleißarbeit, kennzeichnen die Autorenschaft von Reiner Wehle dieser Daily Exercises. Als 1941er Jahrgang mit noch guten Zähnen habe auch ich begonnen, dieses Heft mehr und mehr in den abgegriffenen Zustand zu versetzen. Es hält wach!
Maximilian Schnurrer