Mozart, Wolfgang Amadeus

Curios!

66 lyrische Scherzi und 11 Lebens- und Binsenweisheiten. Aus den Briefen extrahiert und neu arrangiert von Roger Shatulin. Mit einem Präludium von Albert Ostermeier

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Manesse, Zürich 2005
erschienen in: das Orchester 02/2006 , Seite 74

„Majestät, ich bin ein vulgärer Mensch, aber meine Musik ist es nicht!“ – In Milos Formans eindrücklicher Verfilmung von Peter Shaffers Drama Amadeus verteidigt Mozart mit diesen Worten vor dem Kaiser seinen Plan, eine Oper über das verbotene Sujet des Figaro zu komponieren. Tatsächlich spiegelt diese Aussage das Unbehagen vieler wider, den Menschen Mozart und seine Musik zusammenzubringen: Dieser Mensch, der uns in seinen Briefen als vulgärer Kindskopf begegnet, der keiner Banalität und Schweinigelei abhold war; dieser Mensch hat uns die göttlichste Musik geschenkt, die sich denken lässt?
Und wirklich: „Mozarts Nachwelt kam mit beckmesserischer Vernünftelei und blasiertem Biedersinn überein, daß es dem guten Mann am nötigen Ernst gefehlt habe“, so Roger Shatulin in seinem Nachsatz. „Sie setzten den Zensurstift an, […] Briefausgaben wurden verschicklicht, Originaldokumente entschärft.“
Das 20. Jahrhundert jedoch hat unsere Vorstellungen von Scham und Schicklichkeit gründlich durcheinander gewirbelt. Das Vulgäre und Banale hat auch in die Sprachkunst und Poesie Einzug gehalten, Expressionismus, Dada, Konkrete Poesie und Fluxus haben die Sprache zertrümmert und in den Splittern neue Bedeutungen und lyrische Qualitäten entdeckt. Unsere Sinne sind geschärft, die Moralvorstellungen gewandelt; und so kann heute auch das sprachliche Vermächtnis Mozarts unter neuem Blickwinkel betrachtet werden.
Abseits eines philologischen oder geschichtlichen Interesses hat Roger Shatulin nun Mozarts Briefe auf ihre lyrische Qualität abgeklopft. Das Ergebnis ist erstaunlich, zeigt sich Mozart doch als Sprach-Spieler, der sich mit kindlicher Freude und leichter Hand über sprachliche Grenzen hinwegsetzt:

Ich helf mir nicht können
Ich kan gescheüt
nichts heüts schreiben,
denn ich heis völlig aus den biel.
der hapa üble es mir nicht Müssen Paben,
ich so halt einmahl heüt bin,
ich helf mir nicht können.

wohlen sie leb.
ich gute eine wünsche nacht.
sunden sie geschlaf.
werdens nächste ich schon schreiber gescheiden;

Roger Shatulin hat mit scharfsichtigem Blick aus Mozarts Briefen extrahiert. Sein einziger Eingriff in den Textkorpus bestand darin, die Texte mittels Zeilenumbrüchen in Gedichtform zu bringen; weitergehende Veränderungen – Umstellungen oder gar Hinzufügungen – hat er sich nicht erlaubt. Und mit einem Mal bewegt sich Mozart als Lyriker (!) auf nahezu einer Höhe mit Ernst Jandl, Arno Holz oder h. c. artmann:

Stu!

Stu! –
Knaller paller –
schnip – schnap – schnur –
Schnepeperl.
snai! –

Für philologisch Interessierte enthält das auch optisch schöne Büchlein einen Anhang mit Quellennachweisen. Mozart mal ganz anders – wahrhaftig, das ist: Curios!
Rüdiger Behschnitt