Hilmes, Oliver
Cosimas Kinder
Triumph und Tragödie der Wagner-Dynastie
Die schillernde Komponisten-Witwe Cosima Wagner steht im Mittelpunkt einer differenzierten Betrachtung der komplizierten Wagner-Dynastie von Oliver Hilmes, der als Wunderkind unter den deutschen Biografen gilt. Im Bayreuther Familienkrieg treten als Rivalen vor allem Isolde und Franz Beidler auf sowie als Einflüsterer Eva und Houston Stewart Chamberlain. Es gelingt dem Autor, psychologische Momente treffsicher darzustellen. Obwohl Franz Beidler als Schwiegersohn Cosima Wagners als hervorragender Pianist galt, konnte er in Bayreuth offensichtlich nie richtig Fuß fassen. Cosima Wagner konnte ihrer Tochter Isolde die Liaison dennoch nicht ausreden, obwohl sie offen von einer Ehe mit Franz abriet.
Man hätte über die Ehe der Beidlers gerne noch mehr Details erfahren, doch Oliver Hilmes widmet in seiner Biografie Eva und Houston Stewart Chamberlain wesentlich mehr Aufmerksamkeit. Nun war Chamberlain von beiden Schwiegersöhnen Cosima Wagners eindeutig der gefährlichere. Eva Wagner lernte ihren späteren Mann relativ spät kennen nämlich erst mit 41 Jahren, was zur damaligen Zeit als Makel galt. Die Uraufführung des Parsifal 1882 wurde für Chamberlain zum Erweckungserlebnis, was Hilmes detailliert und kenntnisreich schildert. Im März 1885 veröffentlichte Chamberlain in der von ihm mitbegründeten Pariser Revue Wagnerienne seinen ersten Artikel über Richard Wagner und dessen Werk viele weitere sollten folgen. Der spätere Schwiegersohn soll sogar mehr als der jugendliche Verehrer der Meisterin gewesen sein. Hilmes gelingt es jedenfalls, die zuweilen schon fast dämonische Suggestionskraft des Engländers deutlich werden zu lassen, der auf Adolf Hitler einen enormen Einfluss ausübte. Mit seinem Buch Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts wurde Chamberlain zum Protagonisten einer angeblich wissenschaftlichen Rassenlehre.
Musik, Macht und Politik vereinigt sich bei Hilmes hinsichtlich der Beziehungen Adolf Hitlers zur Familie Wagner. Frontverläufe und neue Allianzen werden dabei genau beleuchtet. Noch klarer konturiert als Hitlers verschrobenes Verhältnis zu Winifred und Siegfried Wagner (für dessen Homosexualität Hilmes etwas unglückliche Worte findet) wird in dieser doch recht außergewöhnlichen Biografie der Bayreuther Familienkrieg um die Tanten im Abseits beschrieben. Gemeint sind Eva und Daniela, die gegen Hitler und Winifred Wagner einen Proteststurm inszenierten, weil sie den Parsifal zum ersten Mal nicht mehr in der ursprünglichen Fassung von 1882 zeigen wollten. Es ging bei dieser Auseinandersetzung vor allem um Eitelkeiten, Macht, Einfluss und viel Geld, was Hilmes eindringlich beschreibt. Noch mehr hätte man allerdings gerne über den aktuellen Führungswechsel in Bayreuth gelesen, denn mit Eva und Katharina Wagner gibt es ja nun erstmals ein weibliches Führungsduo. Es bleibt zu hoffen, dass sie die Tradition Wieland und Wolfgang Wagners (wenn natürlich auch auf anderer Ebene) fortsetzen werden. Der Kampf Nike Wagners, die zusammen mit Gérard Mortier für die Bayreuther Festspielnachfolge antrat, wird nicht einmal erwähnt.
Alexander Walther