Matthus, Siegfried / Bob Mintzer
cool rhythm
Phantastische Zauberträume für Saxophonquartett & Orchester / Rhythm of the Americas for saxophone quartet and orchestra
Haben Sie sich als Kind nicht schon einmal erträumt, durch Zaubereien einen Wunsch zu erfüllen?, so beginnt Siegfried Matthus kurze Zauber-Hör-Anleitung zu den Phantastischen Zauberträumen, 2005 für das Philharmonische Orchester Kiel geschrieben. Die abwechslungsreiche Komposition mit dem Untertitel Ein saxophonistisches Märchen für Saxofonquartett und Orchester strotzt nur so vor musikalischer Fabulierlust. Das Land Phantásien, eine Orchesterfantasie von 1995/96 nach der Unendlichen Geschichte von Michael Ende, liefert quasi den abenteuerlichen Nährboden für dieses Stück.
In sieben Sätzen versammelt sich eine bunte, geistreiche Mischung aus Zaubersprüchen, Schlafliedchen, Ständchen und Besentänzen, die von den Musikern des Quartetts clair-obscur (Jan Schulte-Bunert, Maike Krullmann, Christoph Enzel, Kathi Wagner) ausdrucksstark zum Klingen gebracht werden. Die Saxofonisten reizen die Möglichkeiten ihrer Instrumente wirksam aus, und im Zusammenspiel mit der Neuen Philharmonie Westfalen unter Heiko Mathias Förster gelingt eine bildhafte und fein differenzierte Interpretation. Häufig sehen sich die vier Saxofonstimmen dem Schlagwerk in sämtlichen Schattierungen gegenüber. Klänge von hauchzart, fast flirrend hell bis hin zu dunklen, kraftvollen Donnerschlägen sind zu hören. Das mehrfach preisgekrönte Bläserquartett glänzt mit ausgewogenem Ensembleklang und der Farbenreichtum der Rohrblattinstrumente kann erstrahlen. Die programmatischen Titel der einzelnen Sätze lassen Musikern und Hörern gleichermaßen viel Raum zu individuellen Traumwanderungen und der Humor kommt dabei nie kurz.
So hinreißend wie die fetzigen Rhythmen dieser Komposition sind, spricht auch das zweite Stück auf der CD mit seiner rhythmischen Vielfalt sofort an. Rhythm of the Americas des Komponisten und Saxofonisten Bob Mintzer ist ein Rhythmus-Kaleidoskop des amerikanischen Kontinents, das zunächst eine gewisse Distanz zum vorher Gehörten schafft und doch E- und U-Musik miteinander zu verbinden scheint. Der erste Satz Convergence of French and English mit impressionistischen Anklängen setzt die europäischen Wurzeln der französischen Einwanderer in Musik um und wirkt zuweilen etwas pathetisch. Afro-kubanische Klänge vermitteln im zweiten Satz einen Hauch von Karibik und geben südamerikanischen Tanzrhythmen Raum. Jazzical hat den Charakter einer Jazzballade und die vier Saxofonisten intonieren lyrische Soli zu verschiedenen orchestralen Begleitungen. Im temporeichen Finalsatz ist der brasilianische Samba-Rhythmus unverkennbar, sämtliche musikalischen Stilistiken werden hier noch einmal in Kurzform miteinander verquickt. Intensives Spiel in Kombination mit einer fein abgestimmten Interaktion zwischen Solisten und Orchester lassen die einzelnen Facetten der unterschiedlichen Musikkulturen plastisch hervortreten. Mit virtuosen Läufen der Bläsersolisten, unterstützt vom vollen Orchester, findet der Satz seinen markanten Abschluss. Stilsicher und mit großer Musizierfreude zeigen die vier Saxofonisten auch hier wieder ihr großes Können.
Juliane E. Bally