Haydn, Joseph

Concertos for Violoncello and Orchestra

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Camerata CMCD-28211
erschienen in: das Orchester 01/2011 , Seite 72

Haydns Konzerte für Violoncello und Orchester haben eine sehr unterschiedliche Rezeptionsgeschichte vorzuweisen: Während das C-Dur-Konzert Hob. VIIb:1 bis 1961 als verschollen galt und nach seiner Wiedererstaufführung schnell seinen Weg ins Standardrepertoire fand, wird das D-Dur-Konzert Hob. VIIb:2 weitaus seltener gespielt, obwohl die Noten überliefert waren. Allerdings wurde zwischen 1837 bis Mitte des 20. Jahrhunderts die Autorschaft Haydns angezweifelt. Das so genannte „kleine“ D-Dur-Konzert Hob. VIIb:4 wurde hingegen noch 1948 als echt angesehen; heute hingegen wird die Zuschreibung eher angezweifelt. Umso interessanter ist es, dass diese drei Konzerte nun auf einer CD erschienen, die im Jahr 2008 in der Aula der Alten Universität Salzburg aufgenommen und vom japanischen Label Camerata Tokio hergestellt wurde. Ob sich hierin auch ein genuin asiatischer Rezeptionswunsch europäischer Musik der Wiener Klassik ablesen lässt, bleibt zu spekulieren.
Die Interpreten stammen allesamt aus Österreich und könnten in dieser Hinsicht für die japanischen Käufer eine Aura des Authentischen aufweisen: Die Salzburger Solisten, die sich auf ihrer Debüt-CD der Musik Mozarts widmeten, sind zu einem Kammerorchester gewachsen, das vom Tiroler Martin Kerschbaum geleitet wird. In seiner Laufbahn hat sich der Dirigent u.a. intensiv dem Werk der Wiener Klassik zugewandt, wobei er mit Orchestern zusammenarbeitete, die nicht unbedingt im Ruf stehen, sich mit der historisch informierten Aufführungspraxis intensiv auseinandergesetzt zu haben. Solist der drei Haydn-Konzerte auf der vorliegenden CD ist der in Wien geborene Othmar Müller, Mitglied des Artis Quartetts und Lehrer am Joseph Haydn Konservatorium in Eisenstadt. Letzteres spräche wiederum für die bereits erwähnte Aura des Authentischen.
Ohne an dieser Stelle den Diskurs erneut zu führen, ob man heute bei der Wiedergabe der Werke Haydns und seiner Zeitgenossen die Erkenntnisse der historisch informierten Aufführungspraxis aufgreifen müsse oder nicht, bleibt festzuhalten, dass sich prinzipiell jede Aufnahme auch an deren klanglichen Realisierungen messen lassen muss. In diesem Kontext wirken die Interpretationen von Müller, Kerschbaum und den Salzburger Solisten eher traditionell und konservativ. Die Musik wird breit und in großen Bögen geatmet, wobei die Tempi eher gemächlich sind. Die Melodien werden gesanglich gestaltet, auf scharfe Akzentuierungen oder Zuspitzungen wird weitestgehend verzichtet, weshalb häufig ein fast zu lieblicher Klangeindruck entsteht. Es überwiegt ein Schönklang ohne Ecken und Kanten und erinnert an ein Haydn- und Mozart-Tonbild, dem man in den 1960er bis 1980er Jahren weitaus häufiger begegnete als heute. Gegen diese interpretatorische Auffassung ist nichts einzuwenden. Aber wenn durch die klare Präferenz auf Schönklang die Musik ihre emotionale Kraft einbüßt und die Wiedergabe dabei auch noch immer wieder den Eindruck des musikalischen Leerlaufs erweckt, dann fehlt etwas trotz der zu konstatierenden Virtuosität. Es ist wie ein schöner Wein, der gut schmeckt, aber dem es an Tiefe mangelt. Ob dieses Klangbild wiederum die Japaner für die Wiedergabe der Musik der Wiener Klassik präferieren, lässt sich mit europäischen Ohren nicht heraushören.
Klemens Fiebach