Martinu, Bohuslav
Concerto pour hautbois avec petit orchestre
hg. von Maurice Bougue und Guy Porat, Klavierauszug
Gut fünfzig Jahre nach seiner Entstehung gibt es endlich die von vielen Oboisten lang ersehnte Neuausgabe des Obenkonzerts von Bohuslav Martinu. Ein komplexer Prozess steht hinter diesem schon lange notwendigen Unterfangen, gab es doch neben der nicht gerade guten Kopie, auf der die Erstausgabe beruhte, noch die Handschrift, die teilweise schwierig zu entziffern ist, und eine Ausgabe, die der Oboist der Uraufführung, Jiri Tancibudek, mehrfach in Absprache mit dem Komponisten veränderte und überarbeitete. Leider konnte Martinu die geplante endgültige Fassung nicht mehr anfertigen, da er seiner Krankheit erlag.
Maurice Bourgue und Guy Porat haben nicht nur erstmalig anstelle der 50er-Jahre-Kopie die Handschrift ausgewertet, sondern darüber hinaus in mehrfachen Treffen mit Tancibudek versucht, die offenen Fragen zu klären. Nach dem Tode Tancibudeks hat dessen Witwe den Herausgebern großzügig zahlreiche Dokumente mit zusätzlichen Informationen überlassen.
Der größte Unterschied ist sicherlich die zweite, recht virtuose Kadenz im letzten Satz, die nach einem kurzen Orchesterzwischenspiel auf die bekannte erste Kadenz folgt. Aber auch viele andere Ungereimtheiten der Erstausgabe sind begradigt, wie zweifelhafte Akzidenzien und unklare Artikulationen. Mit Bögen in normalen Klammern, eckigen Klammern bzw. gepunkteten Linien wird jede Option klar unterscheidbar gemacht. Für alle, die den Orchesterpart nicht im Kopf präsent haben, gibt es in der Neuausgabe außerdem Stichnoten nach längeren Pausen. Nicht zuletzt der sehr viel übersichtlichere Druck, der außerdem die Notwendigkeit zum Blättern berücksichtigt, sorgt dafür, dass die Oboenstimme anstelle von acht Seiten nun 16 Seiten umfasst.
Aber auch der Klavierauszug hat sich einschneidend verändert. Sorgfältig wurden auch hier sämtliche Artikulationen der Orchesterpartitur berücksichtigt. Darüber hinaus sind insbesondere die Orchesterpassagen üppiger und klangvoller gesetzt. Virtuoses Laufwerk wird nicht mehr möglichst in die rechte Hand gesetzt, sondern auf beide Hände verteilt, sodass ein Pianist hier technisch deutlich mehr gefordert wird als in der Erstausgabe. Die Begleitpartien sind nicht ganz so wuchtig ausgesetzt, sodass Probleme in der Balance kaum zu erwarten sein dürften.
Eine umfassende Einleitung und ein ausführlicher Revisionsbericht alles in Französisch, Englisch und Deutsch runden diese wunderbare Neuausgabe ab.
Marie-Theres Justus-Roth