Nino Rota
Concerto No. 1
per violoncello e orchestra, Klavierauszug von Bruno Moretti
Ein Revival? Verdient hätte er es, denn er war ein Könner: Nino Rota. Unlängst erschien im Verlag Schott die Partitur seines 2. Cellokonzerts, nun kommt aus demselben Haus der Klavierauszug des Schwesterwerks: Nino Rota komponierte sein 1. Cellokonzert im Jahr 1972. Im Gegensatz zum ein Jahr später entstandenen 2. Konzert hatte der Erstling weniger Erfolg. Dies lässt sich schon an der kuriosen Tatsache erkennen, dass für dieses Werk kein zuverlässiges Uraufführungsdatum bekannt ist.
Nino Rota galt als komponierendes Wunderkind. 1911 geboren, schloss er bereits 18-jährig sein Studium in Rom ab. Später wirkte er als Professor in Bari und schuf ein umfangreiches uvre, darunter zehn Opern sowie weitere Bühnen-, Konzert- und Kammermusikkompositionen. Seine größten Erfolge feierte Rota als Filmkomponist: Mit seiner Musik zu Francis Ford Coppolas Der Pate gewann Nino Rota einen Oscar. Nur wenigen Vertretern dieses Genres (aus jüngerer Zeit kommt ihm allenfalls John Williams nahe) ist gelungen, was Rota mit Partituren wie etwa jenen zu den Fellini-Filmen 81/2 oder La Strada erreicht hat: Die Soundtracks aktivieren unser inneres Auge wir sehen die berühmten Szenen vor uns , zugleich hören wir eine vor Einfällen sprühende, handwerklich perfekte Musik, deren Wert sich keineswegs in ihrer untermalenden Funktion erschöpft.
Dass ein solcher Komponist mit seiner außer-filmischen Musik hohe Ansprüche verknüpft, versteht sich von selbst. Das 1. Cellokonzert zeigt Rota als genialen Themen-Erfinder und ebenso als Meister der Form. Sein Kopfsatz, ein Allegro in h-Moll, erweist sich als lupenreiner Sonatenhauptsatz. Das klassische Problem der doppelten Exposition löst Rota elegant, indem er das 2. Thema in der Orchesterexposition steht es in g-Moll vom Solisten nach d-Moll transferieren lässt und somit den modulatorischen Weitergang ebnet. Nach einem romanzenartigen Larghetto inklusive belebtem Mittelteil endet das Konzert mit einem quicklebendigen, bisweilen frenetischen Allegro im Galopprhythmus.
Vom Schwesterwerk unterscheidet sich das Konzert stilistisch merklich. Ist dort ein klassizistischer Zug spürbar, so hat sich Rota hier an romantischen Vorbildern orientiert: Die Orchesterbesetzung umfasst vier Hörner und drei Posaunen, das thematische Material ist von markanter Chromatik geprägt. Dem Soloinstrument ist alles gegeben, was ihm und seinen Spielern frommt: große Kantilenen, flinke Sechzehntel-Passagen, vertrackte Doppelgriffe und Arpeggien.
Neue Musik? In Zeiten der Post-Avantgarde stellt sich die musikalische Gegenwart als Patchwork dar, als Zeittableau, auf dem uns beispiellose stilistische Vielfalt umgibt. Eine Idealsituation: Nach Jahren der Grabenkämpfe herrscht Pluralität, keine stilistische Richtung kann für sich beanspruchen, die richtige zu sein. Nino Rotas 1. Cellokonzert aus dem Jahr 1972 ist schlicht gute Musik. Und eine Melodie wie die des 2. Themas im Finalsatz muss einem erst mal einfallen!
Gerhard Anders