Bartók, Béla / Alfred Schnittke

Concerto for viola & orchestra / Concerto for viola & orchestra

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Gega new GD 306
erschienen in: das Orchester 03/2008 , Seite 60

Es mag am sonor-seriösen Grundtimbre der Bratsche als solcher liegen, dass das Klangbild moderner Viola-Konzerte meist weniger zu jauchzendem Jubel als zu elegischem Ernst neigt. Die unmittelbare Verbindung der beiden hier (offenbar erstmals) gekoppelten Repertoire-Stücke von Bartók und Schnittke zum persönlichen Schicksal ihrer Komponisten ist trotzdem überraschend: Während Bartók sein Konzert bekanntlich nicht mehr vollenden konnte (sein Schüler Tibor Serly besorgte schließlich die Instrumentierung), erlitt Schnittke kurz nach Fertigstellung seines Konzerts den ersten einer ganzen Reihe von (am Ende tödlichen) Schlaganfällen. Man muss nicht gleich an die Vorsehung glauben, um zumindest einen Hauch von Fatalismus durch beide Stücke wehen zu hören: Bei Bartók als letzte Bündelung musikalischen Ausdrucks, bei Schnittke als heftige Sinnfrage mit ungewissem Ausgang.
Beide Kompositionen wurden für herausragende Viola-Virtuosen ihrer Zeit (William Primrose und Juri Baschmet) geschrieben und stellen entsprechende spieltechnische Ansprüche an den Solisten. Der bulgarische Bratscher Dimitar Penkov muss sich in dieser Hinsicht vor der internationalen Konkurrenz keineswegs verstecken: Seine Technik ist beeindruckend und profund, die Intonation makellos, selbst die größten handwerklichen Schwierigkeiten meistert er ohne erkennbare Mühe. Sein Ton bleibt (unterstützt von einer Aufnahmetechnik, die den Solo-Part präsent in den Vordergrund schiebt) noch im kniffligsten Passagenwerk groß und voluminös – was der Interpretation freilich nicht immer zum Vorteil gereicht: Dynamisch geht Penkov nämlich fast nie hinter ein gesundes Mezzoforte zurück und riskiert dadurch eine Kontrastarmut, die bisweilen an Gleichförmigkeit grenzt. Überhaupt ist der Mangel an profilierter musikalischer Charakterisierung ein Manko dieser Produktion: Bartóks kontrapunktische Verdichtungen sind kaum als Steigerungsfelder herausgearbeitet, das religioso des Mittelsatzes gerät zwar inbrünstig, aber eben nicht semplice, und das Finale wirkt eher etüdenhaft als musikantisch.
Schnittkes Konzert, das nach Extremen geradezu schreit, bekommt eine derart „mittige“ Grundhaltung naturgemäß noch weniger: Penkov spielt es als dramatisches Dauer-Lamento mit sattem Vibrato-Ton, hinter dem die zerbrechliche, existenzielle Dimension des Stücks zu verschwinden droht. Das Orchester ist dabei zeitweise so weit in den Hintergrund gemischt, dass thematische Linien gänzlich unhörbar werden und selbst die grellsten Tutti-Passagen nicht wirklich bedrohlich wirken. Andererseits heben sich Schnittkes polystilistische Versatzstücke (eine Kadenz-Formel mit Triller, ein Walzer-Rhythmus, eine Art Präludium mit Klavierbegleitung, Anklänge an Trauermusiken) wiederum zu wenig vom Einheitsgesamtklang ab, um als Relikte einer verlorenen Zeit Kontur und Bedeutung zu gewinnen. So bleibt die Interpretation zwar ausdrucksstark, aber eindimensional – und hinterlässt als Wirkung eher Ermüdung als Erschütterung.
Joachim Schwarz