Martinu, Bohuslav / Antal Dorati / Heinz Holliger

Concerto for Oboe and Small Orchestra / Divertimento for Oboe and Orchestra / Sonata for Oboe Solo

Rubrik: CDs
Verlag/Label: MDG 903 1586-6
erschienen in: das Orchester 07-08/2010 , Seite 68

Eine schöne Werbung für die Oboe ist vorliegende CD. Die mit zahlreichen Preisen und Ehrungen wie beispielsweise dem Echo Klassik ausgezeichnete koreanische Meisteroboistin Yeon-Hee Kwak nahm erst jüngst beim Label Dabringhaus und Grimm drei Werke von Bohuslav Martinu, Antal Dorati und von ihrem komponierenden Kollegen Heinz Holliger auf.
Sie verfügt nicht nur über eine ausgezeichnete und ausgefeilte Technik, sondern auch in der Tiefe über einen liebenswürdigen, mal gedeckten, manchmal sehnsüchtigen Ton, welcher in der Höhe mit angenehmem Vibrato herrlich golden leuchtet, aber nie beängstigend dünn wird oder schreit. Man muss also dem Autor des Booklets, Klaus Döge, Recht geben, der hier den Musiktheoretiker und -ästhetiker Christian Friedrich Daniel Schubart zitiert, der in seinen Ideen zu einer Ästhetik der Tonkunst die „Hoboe“ mit der menschlichen Stimme verglich. Dieser meinte einst allerdings nur das hohe Register. In der Tiefe, so Schubart, hätte die Oboe noch viel „Gansemassiges“ – in heutiges Deutsch: Sie quake in der Tiefe. Erst ein Meister, der „seinen Hauch so in der Gewalt hat“, würde der Oboe ihre „Unannehmlichkeit abringen“, was Yeon-Hee Kwak hier überzeugend unter Beweis stellt.
Martinu fordert in seinem nicht einfach zu interpretierenden Konzert darüber hinaus vom Solisten die Fähigkeit, in dem komplizierten Geflecht der gemäßigt modernen Tonsprache und teils versteckter tschechischer Idiomatik zurechtzufinden. Johannes Goritzki und das Münchner Rundfunkorchester leisten der Oboistin tatkräftig Schützenhilfe, ohne sich in den Vordergrund zu drängen, wenn auch die Orchesterfarben etwas greller und konturierter hätten ausfallen können.
In Holligers mal träumerisch-lyrisch, mal technisch heikel mit zahlreichen stolpergefährlichen Haken und Ösen geschriebenem Solowerk ist die Oboistin ganz auf sich allein gestellt. Jedoch komponierte Holliger als profunder Kenner seine Sonata für und nicht gegen das Instrument durch fast den gesamten Tonumfang, bleibt trotz Bekenntnis zur avantgardistischen Musik – wie Benjamin Britten in seinen Metamorphosen – im traditionellen Spielduktus ohne Spezialeffekte, die übertrieben benutzt lächerlich und uninspiriert klingen. Er fordert in dieser 1956/57 geschriebenen und 1999 revidierten Solosonate den Interpreten, ohne ihn jedoch zu überfordern.
Mit einiger Verwunderung liest man den Namen des ehemals berühmten Dirigenten Antal Dorati, der nebenbei zahlreiche Werke komponiert hatte. Geheimnisvoll gespannt beginnt sein sechssätziges, mit vielen Schlaginstrumenten ausgestattetes Divertimento für Oboe solo und Orchester mit zart instrumentierter Solokadenz, um dann eilig zu einer flotten Toccata und weiteren einfallsreichen Sätzen zu gelangen. Auch hier zeigt sich Yeon-Hee Kwak als sehr gewandt, die sich dem Sammelsurium der verschiedenen Stile und der unterschiedlichen Tonsprachen – eine Mischung aus Barock und Klassik, französischen sowie strawinskynahen Einschlägen bis hin zu locker-leichten Jazzeffekten – flexibel anpasst. Eine CD mit Esprit zum Schwelgen in modernem Oboenglanz.
Werner Bodendorff