Koeluch, Johann Anton
Concerto C-Dur op. 110
für Viola und Orchester, eingerichtet nach dem Fagottkonzert und hg. von Wolf Buchholz, Partitur
Ein Bratschenkonzert von Koeluch? Das wäre eine willkommene Bereicherung des Repertoires, denn bislang ist weder von Johann Anton Koeluch aus Prag noch von seinem Wiener Cousin Leopold Anton ein solches bekannt. Doch was die Titelseite der Partitur taktvoll verschweigt, zeigt ernüchternd der Blick auf die Innenseite: Eingerichtet nach dem Fagottkonzert. Und auch wenn Koeluchs Fagottkonzert ein durchaus reizvolles (und bei Fagottisten geschätztes) Stück ist, bleibt unklar, worin eigentlich der Sinn einer solchen Bearbeitung liegt. Sicher, den heiligen Werkbegriff vom opus ultimum et perfectum muss man hier nicht bemühen. Wir wissen, dass die Komponisten selbst kaum Vorbehalte gegen das Recycling eigener Stücke kannten: Bach hat viele seiner Instrumentalkonzerte als Cembalokonzerte wiederverwendet, Mozart sein Oboenkonzert für Flöte transkribiert und noch Beethoven sein Violinkonzert zum Klavierkonzert umgeschrieben. Dennoch stellt sich die Frage, ob im Zeitalter nahezu grenzenloser Verfügbarkeit von Musik derartige Bearbeitungen nicht obsolet sind. Das originale Repertoire mit Solo-Bratsche ist nun nicht derart schmal, dass man es künstlich vergrößern müsste, und der ästhetische Mehrwert einer Transkription muss auch eher als zweifelhaft gelten: Man stelle sich in Analogie einmal das (ungefähr zeitgleiche) Fagottkonzert von Mozart als Bearbeitung für Viola vor oder gar umgekehrt die Sinfonia concertante für Geige und Bratsche als Bearbeitung für Flöte und Fagott.
Hinzu kommen beim Wechsel zwischen Blas- und Streichinstrument auch noch handfeste praktische Probleme, auf die der Herausgeber im Vorwort selbst hinweist: Einige Fagottpassagen sind für die Viola neu geschrieben oder revidiert worden. Konkret bedeutet das: Da sich viele idiomatische Fagott-Wendungen nicht ohne Weiteres auf die Viola übertragen lassen, hat Wolf Buchholz größere Teile des Solo-Parts streicherfreundlich umgearbeitet. Das betrifft fast alle figurativen Spielpassagen und Schlusswendungen, also gerade jene Abschnitte, in denen Klangcharakter und virtuose Möglichkeiten des Solo-Instruments am besten hervortreten. Etwas überspitzt ausgedrückt: Ausgerechnet an den für ein Konzert zentralen Stellen bleibt vom Koeluchschen Original wenig mehr als das harmonische Korsett. Kaum wiederzuerkennen ist insbesondere der erste Solo-Einsatz: Offenbar um der Bratsche zu ersparen, mit einem langen Halteton beginnen zu müssen, hat Buchholz das Thema aus dem Tutti flugs in die Solostimme verlegt und dabei zwangsläufig auch die Orchesterpartien entsprechend revidiert. Nicht ganz nachzuvollziehen ist schließlich seine Entscheidung, aufgrund einer fehlenden Paukenstimme in der Prager Quelle nicht nur auf diese, sondern gleich auch noch auf die (in der Quelle vorhandenen) Trompeten zu verzichten.
Wen derlei Einwände nicht stören: Die Partitur ist einwandfrei gedruckt, die zugehörigen Orchesterstimmen und einen Klavierauszug gibt es käuflich zu erwerben.
Joachim Schwarz