Zehm, Friedrich

Concertino für Klarinette in B und Streichorchester

Klavierauszug

Rubrik: Noten
Verlag/Label: edition ebenos, Aachen 2010
erschienen in: das Orchester 05/2011 , Seite 70

Friedrich Zehm (1923-2007) hat einen Werkkatalog mit über 200 Kompositionen hinterlassen, in dem die Klarinette in verschiedenen Besetzungen vielfach vertreten ist. Zu nennen sind hier u.a. Fünf Studien für Klarinette solo, eine Sonate und eine Sonatina für Klarinette und Klavier, sechs Impromptus für Klarinette und Viola, ein Quintett für Klarinette und Streichquartett.
Jetzt hat die edition ebenos, die sich sehr um das Schaffen Zehms verdient macht, mit dem Concertino für Klarinette und Streichorchester ein Werk veröffentlicht, das bereits 1979 geschrieben wurde. Hierin zeigen sich alle Qualitäten, die Zehms Komponieren, das in der Nachfolge seines Lehrers Harald Genzmer und Paul Hindemiths steht, ausmachen. Seine Musiksprache ist die der erweiterten Tonalität, die im ersten Satz des Concertinos stellenweise eine besondere klangliche Schärfung durch Akkorde mit Sekundballungen erfährt. Diese Tendenz wird im zweiten Satzes, einem Variationssatz, der sich auf ein Winterlied von Wizlaw von Rügen (um 1265-1325) aus der Jenaer Liederhandschrift bezieht, etwas zurückgenommen. Die vier Variationen mit kontrastivem Tempowechsel zeigen kontrapunktische Satztechniken, aber auch freiere, fantasieartige Ausgestaltung. Dabei bietet das Liedthema mit seinem immanenten Metrumwechsel von 6/8 zu 3/4 viele Möglichkeiten für interessante metrisch-rhythmische Veränderungen, sei es durch den Wechsel zu geraden Takt­arten oder durch Anklänge an den Sarabanden-Rhythmus im 6/4-Takt wie im Finale der 4. Variation.
Die Melodik des ersten Satzes ist im ersten Themenkomplex im Kern von Dreiklängen geprägt, die durch die erwähnten Akkordbildungen kontrastiert werden. Ein zweites Motiv exponiert Quintsprünge, die sich Klarinette und Orchester zuspielen. Im Zentrum des musikalischen Geschehens steht das erste Thema, das im Verlauf des Satzes seinen Ausdruck vom
Lyrischen zum Akzentuiert-Energischen wechselt. Das Streichorchester ist durch motivisch-thematische Arbeit häufig intensiv in das musikalische Geschehen eingebunden.
Der Solopart zeigt durch die instrumentengerechte Anlage Zehm als profunden Kenner der Klarinette. Er nutzt wirkungsvoll die Klangvielfalt des Instruments, wobei dem Solisten eine sichere Höhe (Spitzenton g3) abverlangt wird. Das Concertino, dessen Spieldauer etwa eine Viertelstunde beträgt, beginnt zwar mit einer kurzen Kadenz – eine weitere folgt nach der dritten Variation –, aber insgesamt legt der Komponist keinen Wert auf virtuose Effekte.
Der Klavierauszug, der versucht, alle Stimmen der Partitur wiederzugeben, macht einem Korrepetitor das Leben unnötig schwer. Er ist an vielen Stellen unübersichtlich und viele Akkorde sind kaum spielbar. Außerdem finden sich einige überflüssige Pausen- und Akzentzeichen.
Zehms Concertino ist eine kurzweilige Musik in gemäßigt modernem Gewand und kann in einem Konzert mit einem Kammerorchester – auch einem erfahrenen Amateurstreichorchester – sicherlich auch bei traditionsbewussteren Hörern Gefallen finden.
Heribert Haase