Locatelli, Pietro Antonio

Concerti grossi op. 1 Nr. 1-4 / Concerti grossi op. 1 Nr. 5-8 / Concerti grossi op. 1 Nr. 9-12 per Archi e Basso continuo, hg. von Agnese Pavanello

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Eulenburg, Mainz 2007
erschienen in: das Orchester 12/2007 , Seite 79

Sie sind eine Frucht der römischen Zeit des 1695 in Bergamo geborenen Geigers und Komponisten Pietro Antonio Locatelli, die zwölf Concerti grossi op. 1 für Streicher. Das große Vorbild dieser Werkgruppe sind die berühmten Concerti grossi op. 6 von Arcangelo Corelli, der als bedeutendster Ahnvater der Gattung gilt. Locatelli, der ab 1711 in der ewigen Stadt weilte, war möglicherweise ein Schüler Corellis. Auf jeden Fall orientiert sich sein Opus 1 sehr deutlich an Corellis op. 6. Allein schon die Anlage des Zyklus ist ganz ähnlich. Auch bei Locatelli ist die Nummer 8 ein Weihnachtskonzert mit einem dafür typischen Pastorale-Satz. Von diesem achten Konzert hatte übrigens Johann Sebastian Bach in Leipzig einen handschriftlichen Stimmensatz in Besitz. Erschienen ist Locatellis Opus 1 acht Jahre nach Corellis Tod 1721 bei Roger in Amsterdam. Damals war der Meister aus Bergamo noch in Italien, ab 1729 ließ er sich dann aber in der holländischen Metropole nieder, wo er als angesehener und vermögender Künstler im Jahr 1764 68-jährig starb.
Die vorliegende Edition der Concerti grossi op. 1 des Pietro Antonio Locatelli als Taschenpartituren in drei Bänden wurde deshalb auch sowohl von niederländischen wie italienischen Institutionen gefördert. Sie ist Teil einer Gesamtausgabe der Werke Locatellis, entstand in Zusammenarbeit mit der Locatelli-Stiftung Amsterdam/Cremona und wurde von Agnese Pavanello betreut.
Der Notentext, von dem auch Aufführungsmaterial erhältlich ist, wurde von der an der Universität Salzburg tätigen Musikwissenschaftlerin Agnese Pavanello vorzüglich editiert. Es ist eine Edition, die den gebotenen wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht wird. Basis ist ganz offensichtlich die Druckausgabe, die nur mit wenigen Zusätzen (durch Klammern oder Strichelung gekennzeichnet) versehen ist, die sich von selbst verstehen. Der Generalbass ist beziffert.
Wie die Herausgeberin in ihrem Vorwort schreibt, gehen diese Werke über das Vorbild Corelli in eigenständiger Weise hinaus und warten mit vielen unkonventionellen Lösungen auf. Es wäre ihnen zu wünschen, dass diese Edition sie bekannter macht und ihre Präsenz in Konzerten und auf CD steigert. Der Blick in die Partituren – dank dieser Ausgabe nun leicht möglich – beweist gleichsam Seite für Seite, dass die Beschäftigung mit diesem Zyklus eine lohnende Sache ist. Neben ungewöhnlichen melodisch-harmonischen Wendungen und stilistischer Vielfalt zeichnen die ausgesuchte Expressivität der langsamen Sätze und die Originalität im Wechselspiel von Concertino (mit bis zu fünf Solisten) und Concerto grosso Locatellis op. 1 aus und machen es zu einem wichtigen Werkkomplex der barocken Instrumentalmusik.
Karl Georg Berg