Haydn, Joseph
Concertante für Oboe, Fagott, Violine, Violoncello und Orchester Hob. I: 105 / Sinfonie in Es/D Hob. I: 84/I: 86
hg. von Sonja Gerlach, Partitur / hg. von Klaus Lippe und Sonja Gerlach, Partitur
Die neuen Einzelausgaben der Partituren zu den Sinfonien Nr. 84 und 86 sowie der Sinfonia concertante für vier Soloinstrumente und Orchester folgen der Kritischen Gesamtausgabe der Werke Joseph Haydns, herausgegeben vom Joseph Haydn Institut Köln. Diese wiederum gründet auf den Autografen des Komponisten. Als Nebenquellen wurden Aufführungsmaterialien (Stimmabschriften) aus Haydns Besitz herangezogen, in denen der Komponist selbst Ergänzungen vornahm. Den jetzigen Editionen in Einzelheften liegen also in der Praxis bewährte Publikationen zugrunde, die wiederum auf den einzig gültigen Quellen beruhen: den vom Komponisten hinterlassenen Urtexten. In besagten Fällen kann man sich also glücklich schätzen, dass solche erhalten geblieben sind.
Dennoch sind auch hier leichte Korrekturen nötig: So wurden fehlende Zeichen in der Partitur ergänzt, sofern sie in den Nebenquellen vorhanden sind. Selbstverständlich sind solche Stellen sowie andere Ergänzungen, die Haydn aufgrund schreibökonomischer Erwägungen nur verkürzt notierte, durch verschiedene Klammern kenntlich gemacht. Sie sind so für den Dirigenten in ihrer Herkunft jederzeit zu eruieren. Auch auf mögliche Irrtümer wird hingewiesen (fz-Bezeichnung in Sinfonie 84, Kopfsatz Takt 68): Sie werden nicht stillschweigend korrigiert, ja bleiben etwa bei unklaren harmonischen Zusammenhängen sogar Teil des Notentextes, dem Fußnoten beigefügt sind. Einzig Haydns üblicher Gebrauch von zwei getrennten Systemen für Celli und Kontrabässe bei den Sinfonien wobei er beide Instrumente immer gemeinsam notierte und das Celli-System leer blieb wurde aus Gründen der Übersichtlichkeit und Platzersparnis auf ein System reduziert. (Ausnahme ist der erste Satz der Es-Dur-Sinfonie, wo Haydn die Cellostimme ausschrieb.)
Was bei den beiden Pariser Sinfonien aufgrund der guten Quellenlage meist zwar wichtige, aber das Gesamtbild letztlich nicht entscheidend verändernde Detailunterschiede zu anderen Ausgaben bewirkt, sieht bei der Concertante anders aus: Auch hier liegt das Haydn-Autograf sowie originales Aufführungsmaterial zugrunde, und diese Quellen unterscheiden sich erheblich von heute gewohnten Partituren vergleichbarer Konzerte mit Solostimmen. Haydns Handschrift lehnt sich im Aufbau an die Schreibweise einer Sinfonie an und integriert die vier Solostimmen in den Orchestersatz. Die Solisten werden also nicht als Quartett herausgehoben, sondern nehmen den üblichen Platz im Orchestersatz ein ihre Stimmen in der Partitur sind lediglich durch den Zusatz obbligato als Partien mit Soli zu erkennen, wie das Vorwort ausführt und ein Blick in die Noten sofort erkennen lässt.
Die neue Einzelausgabe folgt auch hier der Kritischen Gesamtausgabe, die allerdings seit mehr als 25 Jahren publiziert ist. Dennoch sind Patentlösungen für die Aufführung bis heute nicht gefunden. Da es sich bei den Solisten um Bläser und Streicher handelt, macht diese authentische Notationsweise das Ganze ein bisschen unübersichtlich. Auch sind Solo- und Tutti-Stellen nicht immer klar voneinander zu trennen. So fordert diese Partitur immer noch kreative Lösungen heraus, die bis zur Aufstellung der Musiker am Konzertabend selbst reichen können.
Matthias Roth