Schubert, Franz

Concert Overtures/Symphony No. 5

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Deutsche Harmonia Mundi 88697911382
erschienen in: das Orchester 01/2013 , Seite 71

Schubert Barock. Mit zwei Worten lässt sich die neue CD des 1996 gegründeten L’Orfeo Barockorchester unter der Leitung von Michi Gaigg charakterisieren. Darauf finden sich Konzertouvertüren, wovon beispielsweise Frühwerke wie D 12 und 26 ausgelassen sind, sowie die Sinfonie B-Dur D 485 von Franz Schubert. Das mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete Orchester hat sich inzwischen einen Namen in der Musikwelt mit barocken Suiten und Sinfonien des musikalischen Sturm und Drang gemacht. Bei der vorliegenden Aufnahme sind nun einige Ouvertüren des Wiener Meisters sogar erstmals mit historischen Instrumenten in tiefergelegter Stimmung zu hören. Unter diesem Blickwinkel scheint es nicht uninteressant, Schuberts Orchestermusik endlich mit historischen Instrumenten aufzunehmen, da bereits in der Vergangenheit seine Klavierwerke auf historischen Flügeln erfolgreich eingespielt wurden. Und so überrascht die Aufnahme durch ihre Transparenz, musikalische Klarheit und Prägnanz, hohes spielerisches Niveau, musikalischen, zum Teil mitreißenden Schwung und einen schlanken Klang.
Und doch liegt im Gesamtklang und in der Art der Umsetzung der Partituren auch etwas Befremdendes. Dieses Befremdende begründet sich in einer gewissen Distanziertheit, fast Kälte, welche der Hörer bei Schubert eigentlich nicht haben möchte und welche im Verlauf des Hörens leichtes Unbehagen auslöst. Dieser Eindruck ist verbal schwer zu fassen. Aber beim mehrmaligen Hören und im Vergleich mit anderen Aufnahmen tut sich hier eine gewisse sorglose Durchgängigkeit in der Interpretation der Phrasen und Melodiebögen auf, die fast durchgehend hart und ohne Klangentfaltung abphrasiert werden. Irritierend sind die Überbetonung der Akzente und die knallige Dominanz der Pauken. Lieblos möchte man hier aber nicht sagen. Die Musik atmet wie beim Hundertmeterläufer nur oberflächlich, nimmt sich keine Zeit, nachzuwirken, wodurch eine gewisse Professionalität und Nüchternheit spürbar ist. Wegen der technischen Brillanz der Interpretation wirken die Werke zwar taufrisch, passen vom Interpretationsansatz her allerdings besser in die Vorklassik. Schubertische Musik in ihrer jenseitigen Rätselhaftigkeit und die rückwärtsgewandte Interpretation barocken Lebensgefühls passen nicht zusammen, wobei auch klar ist, dass die Ouvertüren Schuberts selbstverständlich eher zu den leichtfüßigeren Werken gehören.
Ob Gaigg mit dieser CD – wie in der Barockmusik einst Nikolaus Harnoncourt, bei dem sie unter anderen studiert hat und ihre Eindrücke und Erfahrungen sammelte – Schubert grundlegend revolutionieren wollte, bleibt dahingestellt. In Bezug auf ihn galt aber gerade bei Harnoncourt, dass er „eine so vollkommen eigene Welt“ darstelle. Das Manko dieser Aufnahme liegt weniger bei den historischen, exzellent gespielten Instrumenten, sondern im verpassten Versuch, diese eigene Welt zu ergründen. Die Erkenntnisse historischer Aufführungspraxis, die zur Barockmusik durchaus passen, wurden hier sorglos über die Musik Schuberts gestülpt.
Werner Bodendorff