Ries, Ferdinand

Complete Works for Cello and Piano, Vol. 1

Duo concertant on Russian Songs op. 72 / Sonata A Major op. 21 / Sonata G Minor op. 125 / Romance G Major (from op. 86 No. 2)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: JRI Recordings J119
erschienen in: das Orchester 09/2006 , Seite 93

Wie Beethoven stammte Ferdinand Ries (1784-1838) aus einer Bonner Musikerfamilie. Sein Vater Franz Ries hatte den 15-jährigen Beethoven im Violinspiel unterrichtet und Beethoven kümmerte sich dann um Ferdinand, als dieser 1801 nach Wien kam – er gab ihm Klavierunterricht, während Albrechtsberger ihn im Tonsatz unterwies. Für Beethoven, dessen 3. Klavierkonzert er 1804 öffentlich spielte, erledigte Ries aber auch Korrekturen, Kopierarbeiten u.a.m. 1805 ging Ries zurück nach Bonn, war 1808/09 dann erneut in Wien und um Beethoven. Konzertreisen, zum Teil mit dem Cellisten Bernhard Romberg, führten ihn durch Deutschland, Nordeuropa und Russland, ehe er sich von 1813 bis 1824 als Klavierlehrer, Virtuose und Komponist in London niederließ. Wiederholt leitete Ries ab 1825 die Niederrheinischen Musikfeste, übernahm für zwei Jahre die Singakademie in Aachen und zuletzt den Frankfurter Cäcilienverein. Die von ihm und Franz Gerhard Wegeler verfassten Biographischen Notizen über Beethoven, die 1838 nach Ries’ Tod erschienen, bündeln die ältesten und wohl auch zuverlässigsten Zeugnisse über Beethoven.
Beethovens Ausspruch, dass Ries ihn als Komponist zu sehr imitiere, sollte – zumindest in Bezug auf die beiden Cellosonaten, die Nancy Green und Babette Hierholzer hier vorlegen – nicht allzu wörtlich genommen werden (und war wohl auch ironisch gemeint). Anklänge an Beethoven – im Duo concertant op. 72 erklingt dieselbe Air russe, die Beethoven in seinem Rasumovskij-Quartett op. 59/2 (1805/06) verarbeitet – sind äußerlich und für die Ausarbeitung der Werke unwesentlich. Auch steht die Romberg gewidmete Sonate A-Dur op. 21 (1807) wohl nicht zufällig in derselben Tonart wie Beethovens Sonate op. 69 (1807/08). Gewisse stilistische Eigenheiten wie die Tendenz, das thematische Material aus Dreiklangskonfigurationen abzuleiten, reichen jedoch nicht aus, eine innere Nähe zu Beethoven zu begründen.
Die langsame Einleitung der Sonate g-Moll op. 125, die Ries 1823 in London komponierte, mag an Beethovens Sonate g-Moll op. 5 Nr. 2 orientiert sein und scheint sie an dramatischer Spannung übertreffen zu wollen, während im Hauptsatz prompt Anklänge an Mendelssohn deutlich werden. Überhaupt tendiert Ries in den Ecksätzen zu frühromantischer Virtuosität, während die langsamen Sätze zwar nicht ohne Tiefe der Empfindung sind, in der Vorhersehbarkeit der Verläufe jedoch ein schlichteres Gemüt verraten, zumindest aber, dass Ries kein „Überraschungskomponist“ ist wie Beethoven. Souverän gestalten Nancy Green (tonlich gelegentlich etwas roh) und vor allem Babette Hierholzer (immer tonschön) diese Werke mit der angemessenen Brillanz und Bravour.
Walter-Wolfgang Sparrer